KIT beim NSCLC

Ansprechen auf KIT

Einst selten, heute häufig
Die Entstehung von Lungenkarzinomen und individuelle Therapien
  • Alecensa® 150 mg Hartkapseln
  • Rozlytrek® 100 mg/200 mg Hartkapseln
  • Rozlytrek® 50 mg filmüberzogenes Granulat im Beutel
  • Tecentriq® 1875 mg Injektionslösung
  • Tecentriq® 840 mg/1200 mg Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung
Abstract

Bildgebung, Reflextestung, Anspre­chen, Nebenwirkungsmanagement: Mit den Tumoren der Lunge selbst beschäftigen sich Behandler tagein, tagaus. Besonders bereichernd war es daher, im Rahmen des 65. Kon­gresses der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie (DGP) einmal die Perspektive zu wechseln – mit einem aktuellen Blick auf die Entstehung von Lungenkarzinomen. Das Sympo­sium „Lungenkarzinom: Von der Ent­stehung zur individuellen Therapie“ unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Wolf­gang Schütte, Halle-Dölau, schlug zugleich den Bogen zu den heutigen Therapieoptionen: Biomarker und Pa­tientencharakteristika, die für eine effektive und gleichzeitig nebenwir­kungsarme Therapie bedeutsam sind, standen im Fokus.

Dr. Florian Länger, Leitender Oberarzt, Uniklinik RWTH Aachen und Dr. Claas Wesseler, Leitender Oberarzt, Asklepios Klinikum Hamburg-Harburg (v.l.n.r.)

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Das Lungenkarzinom hat innerhalb eines Jahrhunderts eine rasante Wende hin­gelegt: Von einer der seltensten Tumor­erkrankungen im Jahr 1912 hin zur ak­tuell zweithäufigsten bei Männern bzw. dritthäufigsten bei Frauen.1,2 Dr. Florian Länger, Aachen, eröffnete das Sympo­sium mit einem tiefgehenden Überblick über die multifaktoriellen Ursachen die­ser Entwicklung, die heutzutage etwa 50.000 Erstdiagnosen pro Jahr bedeu­teten. Rauchen sei als einer der relevan­testen äußeren Faktoren für diese Ent­wicklung verantwortlich – unter Männern massenhaft verbreitet mit dem Ersten Weltkrieg, später auch bei Frauen.

 

Im Gegensatz zum kleinzelligen Lungen­karzinom (SCLC) finden sich beim nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) seit der Jahrtausendwende immer häu­figer Patienten, die nie geraucht haben. Weitere exogene Umwelteinflüsse wie Asbest-, Radon- und Feinstaubexposi­tion seien für diese Entwicklung verant­wortlich. Doch auch endogene Faktoren spielten eine Rolle: Zelluläre Mechanis­men wie Replikationsfehler, das Auftre­ten von freien Radikalen und spontane De-Aminierungsprozesse können zu Ver­änderungen der genetischen Maschine­rie und zur Tumorinitiation führen. Zudem beeinflusse die altersbedingte gestei­gerte Mutationslast die Tumorgenese. Im Fall des Rauchens – im Gegensatz zur Asbestexposition – senkt ein (frühzeiti­ger) Expositionsstopp das Risiko für das Auftreten eines Tumors.3,4

Alter, Raucherstatus, Fein­staub: Ursachen der Tumorge­nese detektierbar

Innovative Diagnostikverfahren zur DNA-Analyse und Datenbanken ermöglichten die Differenzierung der Ursachen der Tumorinitiation anhand von Signaturen und sogar eine vorsichtige Rückdatierung der Initiation, quasi anhand einer „molekularen Uhr“. So unterscheidet sich die Signatur von Nie-Rauchern von der klassischen Rauchersignatur, die sich durch Mutationen in Tumorsuppressor­genen und anderen Genen auszeichnen.5 Nie-Raucher-Signatu­ren weisen häufiger Treiberalterationen wie EGFR- und MET-Mutationen auf.5,6 Bei (ehemaligen) Rauchern zeigen 80-90 % die Rauchersignatur.6 Woher kommt jedoch die gestiegene Anzahl an Lungenkarzinomfällen, die nicht mit dem Rauchen assoziiert sind?

Veränderungen an Basen (single nucleotide variants, SNVs), Insertionen oder Deletionen – alle Zellen seien statistisch gesehen mehrmals pro Jahr mit solchen potenziell tumorinitiierenden Ereignissen konfrontiert, die jedoch nicht zwangsläufig in neoplastischen oder malignen Veränderungen endeten, so Länger. So fänden sich im Normalgewebe der Lunge Mutationen in Onkogenen, wie etwa TP53 oder EGFR.7 EGFR-Mutationen tauchten bei NSCLC-Patienten im Normalgewebe ähnlich häufig auf wie bei nicht-NSCLC-Patienten. Doch handele es sich dabei um nur 1 von 500.000 Zellen. Länger berichtete von einer Analyse aus England, die zeigte, dass in industriereichen Regionen häufiger Lungentumore und dabei häufiger EGFR-mutierte Fälle auftreten als in industriearmen Gegenden.8 Während große Partikel verschwanden, die Luft nach der Industrialisierung scheinbar „sauberer“ wurde, nahm die Feinstaubbelastung mit Beginn der 1990er Jahre zu – und damit die Inzidenz von Lungenkarzinomen bei Nichtrauchern. Die Feinstaubbelastung stehe laut Studiendaten klar in Zusammenhang mit einer höheren Mutationsrate sowie EGFR-Mutationen.8 Länger hob hervor, dass sich ALK-, ROS1- und RET-Fusionen vermutlich bereits in die Pubertät zurückdatieren ließen und bei Nichtrauchern ebenfalls mit der Feinstaubexposition in Zusammenhang stünden.

Gewinner und Verlierer in der Tumorbiologie

Wann gewinnen und wann verlieren die veränderten Zellklone? Die genetische Alteration innerhalb einer Zelle allein scheint laut Länger nicht ausreichend, damit ein Tumor entsteht. Für den Aus­gang „Zelltod“ oder „Zellproliferation“ ist ein komplexes Zusammenspiel weite­rer intrinsischer und extrinsischer Fakto­ren ausschlaggebend. Charles Darwins „survival of the fittest“ sei wie die Tumor­initiation ein gradueller Prozess, schätzt Länger ein. Das Immunsystem und das Inflammasom etwa beeinflussen die Tu­morinitiation und können diese je nach Phase der neoplastischen Entwicklung stoppen oder fördern.8-10 Ein Eingriff ins Inflammasom, etwa durch die Hemmung des Zytokins Interleukin-β, war bislang allerdings nicht klinisch wirksam.8

 

Die Inzidenz von Lungenkarzinomen hän­ge gewiss auch mit der Lebenserwartung zusammen, die 1912 noch deutlich kür­zer war. Dennoch verdeutlichte Länger anhand historischer Daten und aktueller Studiendaten einen klaren Zusammen­hang zwischen Umweltbelastungen und genetischen Veränderungen in Lungen­zellen. Doch unabhängig davon, was für die Tumorgenese ursächlich war – für die Therapie zählt: Liegen in der Erstlinie the­rapierbare Treiberalterationen vor?

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Etwa ein Drittel der Lungenkarzinome weisen eine solche auf. Das bedeutet in der Regel eine nebenwirkungsarme und hochwirksame Behandlungsmöglichkeit für die Patienten. Für das ALK- bzw. ROS1- oder NTRK-Fusions-positive NSCLC stehen etwa die hochwirksamen zielgerichteten Therapien mit Alecensa® (Alectinib) und Rozlytrek®▼ (Entrectinib) zur Verfügung.11,12 Eine umfassende Testung sei jedoch auch für den Einsatz von Immuntherapien unerlässlich.

PD-L1, TTF-1 und das nicht-treiberalterierte Lungenkar­zinom

An diesen Punkt anknüpfend vertiefte Dr. Claas Wesseler, Hamburg-Harburg, die Relevanz weiterer Biomarker für die Therapie des Lungenkarzinoms. Denn selbst wenn Treiberalterationen ausge­schlossen sind, ist die Wahl wirksamer und verträglicher Immuntherapiestra­tegien abhängig von Biomarkern wie PD-L1 oder TTF-1. Ob eine Chemothe­rapie-freie Mono-Immuntherapie einge­setzt werden kann, hängt maßgeblich von der PD-L1-Expression ab. Ein hohes Expressionslevel auf Tumorzellen (TC-Score ≥50 %) ermöglicht eine Mono-Im­muntherapie. Weitere Patienten können von dieser verträglichen Therapieoption profitieren, wenn der PD-L1-Status auf den tumorinfiltrierenden Immunzellen (IC-Score) ermittelt wird. Beträgt dieser mindestens 10 %, kann Chemotherapie-frei therapiert werden.13 Tecentriq® (Ate­zolizumab) ist in diesen Fällen die einzig zugelassene Mono-Immuntherapie.14 Studiendaten zeigten, dass diese Thera­pieoption insbesondere Rauchern eine wirksame Behandlung bietet.15

 

Der standardmäßig herangezogene Marker TTF-1 erwies sich über die Diffe­rentialdiagnose hinaus als prognostisch wertvoll.13 Beim metastasierten Adeno­karzinom der Lunge ist eine fehlende TTF-1-Expression negativ prädiktiv für das Ansprechen auf Pemetrexed: Patien­ten wiesen in einer retrospektiven Studie ein erhöhtes Sterberisiko unter Pemetre­xed im Vergleich zu anderen Chemothe­rapeutika auf.16

PD-L1-unabhängige Mono­therapie für Platin-ungeeig­nete Patienten

Darüber hinaus wies Wesseler auf Her­ausforderungen in der klinischen Praxis hin: Hier seien zusammen mit den Tumor­eigenschaften auch Patientencharak­teristika unter die Lupe zu nehmen: Wo und wie genau ist der Tumor lokalisiert? In welcher Verfassung befindet sich der Patient? Ist der Patient oder die Patientin geeignet für eine platinhaltige Chemo-Immunkombination? Ein Teil der NSCLC-Patienten weist einen PD-L1-Status unter 50 % auf und bringt zugleich nicht die körperlichen Voraussetzungen für eine platinhaltige Chemotherapie mit. Ein Zu­sammenspiel aus schlechtem Allgemein­zustand, hohem Alter und/oder Komorbi­ditäten sind hier entscheidend.

 

Wichtig sei deshalb zu erörtern, inwie­weit der Tumor den Allgemeinzustand beeinflusst. Immunonkologische Studien ließen Patienten mit schlechtem ECOG in der Vergangenheit häufig außen vor. Die IPSOS-Studie liefert als erste Studie Da­ten zu dieser Patientengruppe. Die Stu­die vergleicht die Mono-Immuntherapie mit Atezolizumab mit einer Mono-Chemo­therapie mit Gemcitabin oder Vinorelbin, der bisherigen Therapie der Wahl in der beschriebenen Situation. In die Studie eingeschlossen wurden Patienten mit einem ECOG PS 2-3 (altersunabhängig) und Patienten ≥70 Jahre mit signifikan­ten Komorbiditäten oder einer Kontrain­dikation gegen Platin.17

 

Das Ergebnis der Studie: Das Sterbe­risiko sank unter Atezolizumab um 22 % im Vergleich zur Mono-Chemotherapie (Abb. 1). Dass zwei Jahre nach Therapie­beginn unter Atezolizumab noch doppelt so viele Patienten lebten wie unter der Chemotherapie, sei ein immenser Erfolg, so Wesseler. Die Ansprechrate unter Ate­zolizumab war mehr als doppelt so hoch und die Patienten sprachen median fast doppelt so lange auf die Therapie an. Auch die Therapie-assoziierten Neben­wirkungen waren unter Atezolizumab deutlich geringer, wobei schwerwie­gende Nebenwirkungen (Grade 3-4) nur halb so oft wie unter Mono-Chemothe­rapie auftraten.17 Dies sei für den Er­halt der Lebensqualität von besonderer Bedeutung. Die Studiendaten führten zur Zulassung von Atezolizumab bei Pla­tin-ungeeigneten Patienten mit fortge­schrittenem NSCLC – unabhängig vom PD-L1-Status.

Abb.1: Gesamtüberleben bei Platin-ungeeigneten Patienten (mod. nach 17)

Die Therapie, die sowohl die Wirksam­keit als auch die Verträglichkeit in dieser vulnerablen Patientengruppe berück­sichtigt, wurde schnell in die führenden Leitlinien zum Lungenkarzinom auf­genommen.13,18 Die pünktlich zum DGP finalisierte und dort vorgestellte aktu­alisierte Living Guideline der S3-Leitli­nie, empfiehlt mit starkem Konsens die Mono-Immuntherapie mit Atezolizumab bei Patienten mit ECOG 2-3 oder älteren Patienten ≥70 Jahre in der palliativen 1L-Therapie unabhängig vom PD-L1-Sta­tus.18

 

Wesseler verdeutlichte mit einem moti­vierenden Fallbeispiel aus seiner Praxis, wie wichtig auch der Patientenwunsch im „U-Bahn-Plan“ der Behandlungs­optionen für die Therapiewahl ist: Ein 81-jähriger, multimorbider verwitweter Herr mit NSCLC und tumorbedingt stark reduziertem ECOG verweigerte Anfang 2024 eine Chemotherapie, da seine Frau trotz einer solchen an ihrem Tumor verstarb. Auch aus Behandlerperspektive war er nicht geeignet für eine Chemo-Immun­kombination. Nur alle vier Wochen zur Behandlung mit Atezolizumab in der Kli­nik erscheinen zu müssen, war ein Argu­ment für den Herrn, sich doch einer The­rapie zu unterziehen. Mit dem schnellen Ansprechen des Tumors verbesserte sich auch die Gesamtverfassung des Pa­tienten. Heute ist er als Lesepate in einer Grundschule aktiv. Die Therapie ist wei­terhin erfolgreich.

In short 

Moderne Sequenzierungsverfah­ren erlauben neben der Erkennung molekularer Signaturen sogar eine grobe Rückdatierung der Entstehung von Lungenkarzinomen. Neben dem Rauchen haben auch andere Umwelt­einflüsse wie Feinstaub erwiesener­maßen Einfluss auf onkogene Alte­rationen – meist im Zusammenspiel mit endogenen Prozessen. Feinstaub ist insbesondere mit EGFR-mutierten Lungenkarzinomen assoziiert. Für eine individuelle Therapie des Lungenkarzi­noms ist die Testung auf therapierba­re Treiberalterationen und auf weitere Biomarker wie PD-L1 unerlässlich. Darüber hinaus sind Patientencharak­teristika weisend für eine wirksame und gut verträgliche Therapie. Die Zulassungserweiterung von Atezolizu­mab etwa ermöglicht die Chemothe­rapie-freie Behandlung von Platin-un­geeigneten NSCLC-Patienten.

  1. https://wellcomecollection.org/works/zeh7vspv
  2. RKI, Zentrum für Krebsregisterdaten, Krebsarten, Stand 07.12.2023.
  3. Reid A et al. Thorax 2014;69(9):843-50.
  4. Vineis P et al. J Natl Cancer Inst 2004;96:9954:492-498.
  5. Lee JJ et al. Cell 2019;177(7):1842-1857.e21.
  6. Frankell AM et al. Nature 2023;616(7957):525-533.
  7. Wahida A et al. Nat Rev Cancer 2023;23(1):43-54.
  8. Hill W et al. Nature 2023;616(7955):159-167.
  9. Chen DS et al. Immunity 2013;39(1):1-10.
  10. Anichini A et al. Cancers (Basel) 2020;12(12):3605.
Siehe Vorschau
  1. https://wellcomecollection.org/works/zeh7vspv
  2. RKI, Zentrum für Krebsregisterdaten, Krebsarten, Stand 07.12.2023.
  3. Reid A et al. Thorax 2014;69(9):843-50.
  4. Vineis P et al. J Natl Cancer Inst 2004;96:9954:492-498.
  5. Lee JJ et al. Cell 2019;177(7):1842-1857.e21.
  6. Frankell AM et al. Nature 2023;616(7957):525-533.
  7. Wahida A et al. Nat Rev Cancer 2023;23(1):43-54.
  8. Hill W et al. Nature 2023;616(7955):159-167.
  9. Chen DS et al. Immunity 2013;39(1):1-10.
  10. Anichini A et al. Cancers (Basel) 2020;12(12):3605.
  11. Fachinformation Alecensa® (Alectinib), aktueller Stand.
  12. Fachinformation Rozlytrek® (Entrectinib), aktueller Stand.
  13. Griesinger F et al. Onkopedia-Leitlinie „Lungenkarzinom, nicht-kleinzellig (NSCLC)“, Stand: Januar 2025.
  14. Fachinformation Tecentriq® (Atezolizumab), aktueller Stand.
  15. Paz-Ares L et al. ESMO-IO 2023; Poster Presentation 3P.
  16. Frost N et al. Clin Lung Cancer 2020;21(6):e607-e621.
  17. Lee SM et al. Lancet 2023;402(10400):451-463.
  18. S3-Leitlinie Prävention, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Lungenkarzinoms, Langversion 4.0, AWMF-Registernummer: 020/007OL, Stand: April 2025.
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