NMOSD

Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen

Welche Differenzialdiagnosen zur NMOSD sind zu berücksichtigen?

Die wichtigste Differenzialdiagnose der Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen (NMOSD) ist die Multiple Sklerose (MS).1-3
Eine frühzeitige Abgrenzung zwischen NMOSD und MS ist unter anderem deswegen wichtig, da die meisten MS-Therapeutika bei NMOSD unwirksam sein oder die NMOSD-Symptomatik sogar noch verschlechtern können.4 Weitere Differenzialdiagnosen bestehen zu Myelitis und Opticusneuritis.

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Eine differenzialdiagnostische Abgrenzung zur MS ist von zentraler Bedeutung, denn bereits ein einzelner NMOSD-Schub kann zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen bis hin zur Erblindung und/oder Rollstuhlpflichtigkeit führen.1

 

Neben den klinisch erhobenen Parametern ist vor allem der Aquaporin-4 Antikörper (AQP4-Ak)-Status ein wichtiges Kriterium zur diagnostischen Abgrenzung, da diese Autoantikörper bei etwa 75 % der NMOSD-Patient:innen vorkommen, bei MS-Patient:innen aber nicht zu finden sind.3,6 Weiterhin können bildgebende Verfahren, wie die Magnetresonanztomografie (MRT), die Differenzialdiagnose absichern. Genauso sollten Befunde der Liquoruntersuchung, gegebenenfalls auch im Verlauf, berücksichtigt werden.3

 

Hören Sie hierzu auch den Neurologen Prof. Dr. Sebastian Rauer, Facharzt für Neurologie und leitender Oberarzt der Neurologischen und Neurophysiologischen Universitätsklinik Freiburg: Er erläutert im Video-Interview, wie sich NMOSD und MS diagnostisch voneinander abgrenzen lassen (bis 2:11 min) und welche Herausforderungen bei der Therapie der NMOSD bestehen (ab 2:11 min).

Video-Interview mit Prof. Dr. Sebastian Rauer zur Abgrenzung von NMOSD und MS

Kriterien

NMOSD

MS

Labor

AQP4-Ak

Kein spezifischer Biomarker

Liquor

Zellzahl auch > 50/µl, häufig mit granulozyt. (auch eosinoph.) u./ od. monozytärem Anteil, OKB bis ca 30 %, MRZ-Reaktion ~ 5 

Zellzahl in der Regel bis 50/µl lymphomonozytär, OKB in ~ 95 %, MRZ-Reaktion in ~ 78 %

MRT

spinal: typisch ≥ 3 Segmente, zentrale Läsionen, oft mit Schwellungen, bisweilen Höhlenbildung

kranial: oft normal oder diencephale Läsionen/Läsionen in der Area postrema oder unspezifische Läsionen

~ 10 % MS-typisch nach Barkhof et al.7

spinal: kurzstreckige lateral oder exzentrisch gelegene Läsionen

kranial (s.o.): Läsionen periventrikulär, juxta-/ kortikal, infratentoriell

 

Opticusneuritis

uni- od. bilateral, meist hochgradige Visusminderung, MRT: langstreckige N. opticus-Läsion bis ins Chiasma

unilateral typisch, MRT: kurzstreckige Ausdehnung, keine Chiasmabeteiligung

MS ist die wichtigste Differenzialdiagnose der NMOSD¹,²

Kriterien zur Unterscheidung von MS und NMOSD.1-3

 

AQP4-Ak: Aquaporin-4 Antikörper, OKB: Oligoklonale Banden, MRT: Magnetresonanztomografie, MRZ: Masern-, Röteln-, Zoster-Reaktion

Neben der MS sind bei nicht erregerbedingten Myelitiden differenzialdiagnostisch vor allem Autoimmunerkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis zu berücksichtigen, die sich am ZNS manifestieren können.1-3

Hierzu gehören vor allem:1-3

  • Systemischer Lupus erythematodes (SLE)
  • Sjögren-Syndrom
  • Systemische Sklerose (SSc)
  • Vaskulitiden

 

Insbesondere sollte auch an die Neurosarkoidose gedacht werden, die sich mit NMOSD-typischen Symptomen wie einer Opticusneuritis und einer longitudinalen extensiven transversen Myelitis (LETM) manifestieren und differenzialdiagnostisch eine Herausforderung sein kann.2

 

Für eine Myelitis kommen folgende weitere Ursachen in Frage:3

  • Infektiöse Ursachen (v. a. Herpesviridae, Coxsackie, Enteroviren, HIV, HTLV-1, Staphylokokken, Streptokokken, Mykobakterien, Borrelien, Treponemen, Listerien, Leptospiren, Aspergillen)
  • Metabolische Ursachen (z. B. Vitamin-B12-Hypovitaminose)
  • Neoplastische Ursachen, z. B. spinale Manifestation eines (primären ZNS-) Lymphoms oder ZNS-eigene Tumoren
  • Paraneoplastische Ursachen (insbesondere Anti-Hu- und Anti-CRMP5/CV2-Syndrom)
  • Traumatische Ursachen (z. B. Syringomyelie)

Eine Opticusneuritis kann neben NMOSD auch aufgrund folgender Ursachen auftreten:3

 

  • Ischämische Erkrankungen (vordere und hintere ischämische Opticusneuropathie)
  • Vaskulitiden, v. a. Arteriitis temporalis bei Riesenzellarteriitis (RZA)
  • Entzündliche ZNS-Erkrankungen (Opticusneuritis bei MS, Kollagenosen, Sarkoidose, paraneoplastische neurologische Syndrome)
  • Toxische Ursachen (Alkohol), Hypovitaminose (Vitamin B1 und B12), Hypervitaminose (Vitamin A und D) und Medikamente
  • Metabolische Ursachen (Diabetes mellitus, Urämie, Anämie)
  • Infektiöse Ursachen (Herpesviridae, Hepatitis A, Enteroviren, Borrelien)
  • Hereditäre Erkrankungen (v. a. Leber-Opticusatrophie)
  • Raumforderungen mit Druck auf den N. opticus
  • Bei rezidivierender, nach Ende der Steroidtherapie rasch wiederaufflammender Opticusneuritis: MOG-Ak-assoziierte Erkrankung oder eine chronisch inflammatorische Opticusneuropathie (CRION)

 

1. Pache F et al., Fortschr Neurol Psychiatr 2017; 85: 100-114

2. Pfeuffer S et al., Akt Neurol 2017; 44: 180-193

3. Trebst C et al., Nervenarzt 2011; 82:768–777

4. Kleiter I, Gold R, Neurotherapeutics 2016; 13: 70-83

5. Kompetenznetz Multiple Sklerose: Qualitätshandbuch MS/NMOSD. Stand 11/2021; MS-Qualitätshandbuch (ms-qualitaetshandbuch.de) (abgerufen am 14.03.2023)

6. Lennon VA et al., Lancet 2004; 364: 2106–2112

7. Barkhof F et al., Brain 1997; 120:2059–2069

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