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Bei Multipler Sklerose (MS) reicht Schubfreiheit als Therapieziel nicht aus, um Behinderungsprogression anhaltend zu verlangsamen. Von Beginn an trägt eine schleichende Krankheitsprogression unabhängig von Schüben (PIRA) wesentlich zum Fortschreiten der Erkrankung bei.1-4
Dr. Rupert Knoblich referierte beim Spotlight Neurologie im Juli 2023 in Frankfurt über Progressionsmessung im Praxisalltag und die Bedeutung einer frühzeitigen Symptomerfassung für Therapieentscheidungen und Verlaufskontrolle.
In den letzten Jahren hat sich die MS-Therapie durch eine wachsende Zahl effektiver Therapieoptionen verändert, die darauf abzielen, Schubaktivität zu unterdrücken. Gleichzeitig wuchs die Erkenntnis, dass PIRA auch bei schubförmiger MS (RMS) nicht nur von Beginn an wesentlich zum Fortschreiten der Erkrankung beiträgt, sondern zudem auch mit einer ungünstigen Langzeitprognose verbunden ist.1-4
Dies verändert auch den Alltag in der Praxis: „Seit wir in der Lage sind, therapeutisch eine nahezu vollständige Schubfreiheit über viele Jahre zu erreichen, können wir die stillen, fortschreitenden Effekte auf einmal sehen“, sagte Dr. Rupert Knoblich, Facharzt für Neurologie beim NeuroCentrum Odenwald. „Unsichtbare Progression zu erkennen, kostet jedoch in der Sprechstunde viel Zeit, weil wir PIRA nicht so einfach mit dem EDSS oder der Anamneseerhebung erfassen können.“ Je früher solche unsichtbaren, häufig auch von Patient:innen nicht mit MS-assoziierte Symptome erfasst werden, desto früher können diese in die Diagnosestellung einfließen und in die Therapieentscheidung einbezogen werden.
Früher Therapiebeginn als „Gamechanger“?
Wie wichtig es ist, in der MS-Sprechstunde Messmethoden zu etablieren, mit denen Progression möglichst früh zu erkennen ist, unterstreichen u.a. Daten aus Skandinavien. Der frühe Einsatz einer verlaufsmodifizierenden Therapie (DMT) geht mit einer verzögerten Behinderungsprogression einher, insbesondere je höher die verwendete Wirksamkeitskategorie der DMT ist:
In seinem Praxisalltag setzt Dr. Knoblich einen Schwerpunkt bei der Erfassung nicht-MS-spezifischer Symptome: Neben einer regelmäßigen Prüfung motorischer Funktionen via etablierter Instrumente (EDSS, Timed 25-Foot Walk [T25FW], 9-Hole Peg Test [9HPT]) oder Digitale Gesundheitslösungen sowie PROs (patienten-berichtete Ergebnisse; patient reported outcomes), rät er dazu, zusätzlich kognitive Testungen aus dem BICAMS-Repertoire einschließlich einem Fatigue-Score einzubeziehen. Jährlich werden in seiner Praxis
„Es sind die vermeintlich unsichtbaren, unspezifischen Symptome wie Kognitionsstörungen, Fatigue und Depression, die uns als MS-Therapeuten hellhörig machen müssen“, so der Neurologe.
Laut einer deutschen Studie weist etwa die Hälfte aller MS-Patient:innen mit geringem Behinderungsgrad (EDSS < 2,5) kognitive Einschränkungen und Fatigue auf.10 Fast 15 % der Patient:innen mit diagnostizierter schubförmig remittierender MS (RRMS) oder klinisch isoliertem Syndrom (CIS) zeigen schon bei Baseline nachweisbare kognitive Störungen – trotz niedrigem EDSS-Score (Baseline-EDSS = 1,5).11
„Es ist bekannt, dass der EDSS individuelle kognitive Fähigkeiten nicht abbildet.12 Die Arbeitsfähigkeit ist jedoch an die kognitiven Fertigkeiten gekoppelt und nicht so entscheidend an den EDSS. Gezielte Messungen zur Kognition und daraus resultierende frühe therapeutische Interventionen haben für die Lebensqualität der Patient:innen daher eine hohe Relevanz,“ erläuterte Dr. Knoblich. Im Praxisalltag können die nicht unmittelbar sichtbaren Symptome belastbare Indikatoren für eine MS-Progression sein – und mittels bereits bewährter und praxistauglicher Messmethoden untersucht werden.
Bei seinen heutigen Verlaufskontrollen bezieht Dr. Knoblich vor allem den Zusammenhang zwischen Hirnatrophie und Behinderungsprogression ein: Demnach weisen MS-Patient:innen mit dem geringsten frühen Hirnvolumenverlust den geringsten Anteil von einer bestätigten Verschlechterung der Behinderung (CDW) im weiteren Krankheitsverlauf auf.13
„Dass die Krankheitsprogression schon zu Beginn der Erkrankung sehr gut mit der Hirnatrophierate korreliert,13 hilft uns in der Praxis dabei zu beurteilen, ob die derzeitige Therapiestrategie ausreichend ist“, stellte Dr. Knoblich fest.
Serielle, KI-gestützte Hirnvolumetrie-Untersuchungen sind für ihn – zusammen mit anderen subklinischen Standardverfahren wie MRT – ein zentraler Schlüssel, um schon früh detaillierte Ergebnisse zu einem möglichen Krankheitsfortschreiten zu erhalten. Die radiologische Methode ermöglicht eine automatische, schnelle, reproduzierbare und präzise Erkennung sowie eine differenzierte Quantifizierung regionaler Abweichungen, wie z. B. T2-Läsionen, und Veränderungen des Hirn- und Läsionsvolumens. Damit kann sie Radiolog:innen z. B. als Beurteilungshilfe dienen und die Erkennungsrate verbessern.
Eindrücklich zeigte Dr. Knoblich die Vorzüge einer KI-gestützten Hirnvolumetrie am Beispiel einer 32-jährigen Patientin mit Behandlungsbeginn in 2015 und serieller Untersuchung über einen Gesamtzeitraum von 5 Jahren (2018-2023).
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