KIT beim NSCLC
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Die Krebsimmuntherapie erreicht bereits sehr viele Patient:innen mit metastasiertem nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC). Das gilt sowohl für die Mono-Immuntherapie als auch für diverse Kombinationen mit platinhaltigen Chemotherapien. Für den Einsatz einer Mono-Immuntherapie spielen aktuell die PD-L1-Expression auf Tumor- und Immunzellen eine Rolle. Eine Chemo-Immuntherapie kann PD-L1-unabhängig eingesetzt werden, auch hier sind patientenindividuelle Faktoren von Bedeutung: etwa die TTF-1-Negativität, Lebermetastasen oder das Versagen einer zielgerichteten Therapie.1 Die Herausforderung in der Praxis: Die Zulassungen beruhen auf Studiendaten zu Patient:innen mit ECOG Performace Status (PS) 0-1.2 Wie allerdings umgehen mit Patient:innen, die für eine platinhaltige Chemotherapie nicht geeignet sind? Ein Blick auf die Versorgungslücke!
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Die Herausforderung in der Praxis: Ein Teil der NSCLC-Patient:innen kommt wegen eines PD-L1-Status unter 50 % nicht für eine Mono-Immuntherapie in Frage, bringt aber auch nicht die körperlichen Voraussetzungen für eine platinhaltige Chemotherapie mit. Für diese Patientengruppe wäre ein Platin-freies Regime die verträglichere Behandlungsoption.
„Im Alltag sehen wir eine sehr große Bandbreite an Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkarzinomen – viele ältere Patienten mit einigen Komorbiditäten. Nicht alle Patienten tolerieren eine Chemo-Immuntherapie gut“, gibt Prof. Niels Reinmuth, Asklepios Lungenklinik Gauting, zu bedenken.
Liegt eine hohe PD-L1-Expression auf Tumor- oder Immunzellen vor (50 % bzw. 10 %), ist die Entscheidung für eine Mono-Immuntherapie schnell gefällt. Chemo-Immunkombinationen, die unabhängig vom PD-L1-Status indiziert sind, enthalten alle per Zulassung Platin.3 Chemotherapie-assoziierte Nebenwirkungen sind allerdings nicht selten, (platinhaltige) Chemotherapien kommen damit für einige Patient:innen nicht in Frage.4 Bislang fehlt eine klare Definition, welche Patient:innen für platinhaltige Chemotherapien geeignet sind.4
„Das Problem ist, dass viele Patienten – aufgrund von Alter und Komorbiditäten – keine normalen Dosierungen der Chemotherapie vertragen. Deswegen muss man bei einem niedrigen PD-L1-Status sehr viele Kompromisse machen“, so Prof. Reinmuth, „Wir haben immer einen Teil an Patienten, bei dem eine normale Chemo-Immuntherapie nicht durchführbar ist, bei denen wir die Dosis deutlich reduzieren müssen.“
Für Patient:innen, die einen EGOG PS von 2 und schlechter oder Komorbiditäten aufweisen, gibt es noch keine eindeutigen Therapieempfehlungen. Die Onkopedia- und S3-Leitlinie verweisen auf bestmögliche unterstützende Behandlung (BSC) oder eine Platin-freie Mono-Chemotherapie. Immunonkologische Therapiekonzepte sind derzeit nicht zugelassen.3,5
Epidemiologische Analysen zeigen einen hohen Anteil an Lungenkrebspatient:innen mit schlechtem PS von bis zu 50 %.6 Wang und Kolleg:innen betonten, dass manche von diesen Patient:innen im Endstadium und mit schlechtem Allgemeinzustand von modernen Behandlungsstrategien – im Vergleich zur traditionellen Chemotherapie – profitieren könnten.6
„Die Studienlandschaft ist sehr dünn besetzt, wenn es um Patienten im fortgeschrittenen Alter mit schlechtem ECOG PS und vielen Komorbiditäten geht. Dabei machen insbesondere Patienten mit ECOG PS 2 oder schlechter ungefähr 20 bis 30 Prozent unserer Patientenklientel im klinischen Alltag aus“, gibt Dr. Jan Stratmann, Universitätsklinikum des Saarlandes, zu bedenken.
Prof. Martin Reck, LungenClinic Grosshansdorf, begründet die Versorgungslücke folgendermaßen: „Bei den zulassungsrelevanten, prospektiv randomisierten Studien haben wir Einschlusskriterien, die sehr anspruchsvoll sind. Dazu gehört zum Beispiel ein guter, allenfalls leicht reduzierter Allgemeinzustand, PS 0 und 1. Es ist also immer ein selektioniertes Patientenkollektiv, das wir in diesen Studien behandeln. Die Realität in der Praxis sieht komplett anders aus.“ Die Studien, die zur Zulassung der Immuntherapie – entweder allein oder in Kombination mit Chemotherapien – führten, untersuchten deshalb durchweg Patient:innen mit einem ECOG PS von 0-1.2
Fest steht: Lungenkarzinompatient:innen sind bei Diagnose häufig zwischen 65-84 Jahre alt.3 In diesem Lebensabschnitt sind Komorbiditäten, die den Allgemeinzustand beeinträchtigen, nicht selten. Laut Dr. Claas Wesseler, Asklepios Klinikum Harburg, ist deshalb wichtig zu hinterfragen: Ist die Tumorerkrankung ursächlich für den hohen ECOG PS oder sind es die Komorbiditäten? „Per Zulassung können wir aktuell Patienten mit schlechtem Allgemeinzustand nicht bestmöglich therapieren – selbst wenn dieser nur durch die Tumorerkrankung bedingt schlecht ist. Dabei könnten wir gerade in diesen Fällen durch eine wirksame Therapie den Allgemeinzustand wieder verbessern“, so Wesseler. Weiter gibt er zu bedenken: „Ist der Patient eher tumorkrank, aber sonst fit, gibt es vielleicht eine Behandlungsindikation - auch wenn der ECOG PS 3 ist.“
Es mangelt jedoch an Daten, die die Wirksamkeit und Verträglichkeit der Immuntherapie bei NSCLC-Patient:innen mit ECOG PS 2 oder schlechter beschreiben.7 Diese Versorgungslücke ist Grundlage aktueller Forschungsfragen8: Welchen Einfluss haben Allgemeinzustand, hohes Alter oder Komorbiditäten auf die Effektivität von Immuntherapien? Wie wirken sich die vielen Unsicherheiten auf den aktuellen Praxisalltag aus?
Zusammenfassend hält Prof. Reinmuth fest: „Wir haben keine wirklich guten Therapieoptionen für schwer vorerkrankte Patienten. Bei hohem PD-L1-Status können wir eine Mono-Immuntherapie einsetzen. Damit besteht die Chance, den Patienten zu helfen. Oder es gibt eine molekulare Alteration, die therapierbar ist. Auch zielgerichtete Therapien sind meistens mit einer geringeren Beeinträchtigung der Lebensqualität verbunden. Aber damit ist der Kreis an Optionen auch fast ausgeschöpft. Dass wir auch diesen Patienten mehr Perspektiven bieten können, steht weit oben auf der Liste.“
1. Fachinformation Tecentriq®, aktueller Stand.
2. Singh N et al. J Clin Oncol 2022;40(28):3323-3343.
3. Griesinger F et al. Onkopedia-Leitlinie "Lungenkarzinom, nicht-kleinzellig (NSCLC)", Stand: November 2022.
4. De Marinis F et al. Clin Lung Cancer 2015;16(6):399-405.
5. S3-Leitlinie Prävention, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Lungenkarzinoms, Langversion 3.0, AWMF-Registernummer: 020/007OL, Stand: März 2024.
6. Wang F et al. Transl Lung Cancer Res 2023;12(3):460–470.
7. Mojsak D et al. Adv Med Sci. 2021;66(2):381-387.
8. Lee SM et al. Lancet 2023;402(10400):451-463.