Thorakale Onkologie

 

Nils – Gestorben wird nicht!
Wie medizinischer Fortschritt Hoffnung spenden kann

Wer: Nils
Alter: 40 Jahre, 39 Jahre bei Diagnosestellung
Diagnose: Metastasiertes Lungenkarzinom mit diagnostizierter Treiberalteration
Hobbies: Schützenverein, Gartenarbeit, Musik
Engagement:

  • Podcast „Krebs! Was nun?“
  • Mitarbeit beim Zielgenau e.V., im Bundesverband Selbsthilfe
  • Lungenkrebs e.V. und BRCA-Netzwerk e.V.
  • Lokaler Schützenverein

Motto: Gestorben wird nicht!

„Wenn ich etwas mache, dann mache ich es richtig.“

Ich bin Nils, 40 Jahre jung, und wohne mit meiner Freundin Sara zusammen auf dem Land. Also so richtig auf dem Land mit großem Garten, in einem 400-Seelendorf. Das ist wunderbar, denn ich liebe Gartenarbeit. Wir wohnen mit unserer 18 Jahre alten Katze und einem Aquarium voller Fische zusammen, meine Freundin hat auch noch ein eigenes Pferd. Ich engagiere mich hier sehr viel im örtlichen Geschehen. Ich bin im Schützenverein aktiv. Dabei geht es neben dem Sport auch um die gemeinschaftliche Arbeit im Dorf. Wir bauen zum Beispiel Sitzbänke oder pflanzen Blumen. Mir liegt sehr am Herzen, dass allen Menschen die gleichen Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Und das fängt eben schon in der örtlichen Gemeinde an – wer nicht mehr gut zu Fuß ist, kann es so trotzdem genießen draußen zu sein. Ich gehe auch total gerne auf Konzerte, nehme dafür auch Wege auf mich. Von „Alligatoah“ über „Die Ärzte bis“ zu den „Red Hot Chili Peppers“ ist vieles dabei. Musik ist mir so wichtig, dass in unserem Haus sogar in jedem Raum eine Bluetooth-Box steht. Ich bin auch ein absoluter Genussmensch – für Essen und ein gutes Glas Wein bin ich immer zu haben.

 

Von Beruf bin ich Key Account Manager. Ein Beruf, den ich sehr leidenschaftlich und ehrgeizig ausgeübt habe. Ich würde mich zwar nicht als Workaholic bezeichnen – wenn ihr allerdings meine Freundin fragen würdet, würde sie mich auf jeden Fall so nennen. Ich gebe zu: Ich bin auch nachts ans Telefon gegangen, wenn Kunden anriefen, und habe dann bei Anliegen unterstützt. Letztes Jahr musste ich allerdings voll auf Abstand zu meinem Beruf gehen: Nachdem ich monatelang in einem Labyrinth verschiedener Fachdisziplinen und Verdachtsdiagnosen umher irrte, bekam ich dann die endgültige Diagnose – Lungenkrebs. Jetzt verbringe ich genau die Zeit, die ich vorher mit meiner Arbeit verbracht habe, sozusagen mit dem Krebs, auf Kongressen bzw. Fortbildungen oder bei Arztterminen zum Beispiel. Zugegebenermaßen entschleunigt meine Krankschreibung allerdings auch auf eine Art. Meine neu gewonnene Zeit verwende ich aber nach wie vor sinnvoll: Neben meinem Ehrenamt im Schützenverein und den Terminen für den Lungenkrebs, betreiben Sara und ich zusammen einen Podcast und einen Instagram-Account rund um Krebs. Und Konzerte besuche ich natürlich immer noch gern.

Ein halbes Jahr lang wegen Rückenschmerzen beim Hausarzt in „Behandlung“

Aber zurück zum Anfang: Angefangen hat alles mit Rückenschmerzen. Als ich damit zu meinem Hausarzt ging, dachte ich natürlich nicht an Krebs. Und er offensichtlich auch nicht: Über ein halbes Jahr lang versuchte er, mich einzurenken. Irgendwann habe ich eine Überweisung an den Orthopäden eingefordert, da es keinen Deut besser wurde. Aufgrund von beruflichen Terminen, stellte ich mich aber nicht sofort beim Orthopäden vor, mein erster „Fehler“. Hätte ich gewusst, was los ist, wäre ich natürlich einen Tag später auf der Matte gestanden! Im Röntgenbild war dann unklar, ob es ein Bandscheibenvorfall war, deshalb wurde noch ein MRT veranlasst. Und in diesem sah man dann „Schneegestöber“ auf der Lunge – mein Rücken war ohne Befund. Für die Radiologie kam zu dem Zeitpunkt eine Autoimmunerkrankung, eine Pilzinfektion, After-Covid oder Krebs in Frage. Es war noch Pandemie, also saß ich allein im Wartebereich mit diesen Vermutungen und dachte: Oh Gott! Doch eigentlich schloss ich Krebs für mich direkt wieder aus. Es ging dann im nächstgelegenen Krankenhaus direkt weiter ins CT. Doch auch hier: Uneinigkeit über den Befund. Die anschließende Bronchoskopie war unauffällig, weshalb von außen, also am Rippenfell, noch eine Biopsie entnommen werden sollte. Die OP wurde mit einer VATS minimalinvasiv durchgeführt. Was als kleiner Eingriff angedacht war, verlief dann anders: Ich bin danach mit einer Pleurodese wieder aufgewacht, rechts ein Drainageschlauch, links eine Morphiumpumpe. Und mit der Diagnose: Pleurakarzinose, also Metastasen auf dem Rippenfell. Die Pathologie gab dann endlich Aufschluss: es handelte sich um ein Adenokarzinom der Lunge – ohne sichtbaren Primärtumor. Im Krankenhaus stellte man mir eine unglaublich schlechte Prognose – ohne Ausblick auf Präzisionsonkologie oder Hoffnung. Der Ansatz „Nutzen Sie die Zeit, die Ihnen noch bleibt, um alles zu regeln und fahren Sie doch nochmal in den Urlaub“, den ich in dort vorgeschlagen bekam, war für mich absolut inakzeptabel. Ich war 39 – ich wollte nicht sterben!

 

Mit der Diagnose und insbesondere der negativen Prognose wurde ich direkt selbst aktiv. Die Diagnose bekam ich an einem Freitag – am Samstag saß ich an meinen Rechner. Für mich ging es ums nackte Überleben! Meine Recherchen ergaben, dass eigentlich ein PET-CT gemacht werden sollte, weil es essentiell für die genaue Diagnose und somit Therapie ist. Da ich in die Klinik, in der die OP stattfand, kein Vertrauen mehr hatte, digitalisierte ich meine Krankenakte und sendete sie an zehn Lungenfachzentren in ganz Deutschland. Dazu googelte ich „beste Thoraxchirurgie“, denn ich dachte, es wäre operabel – das war wohl mein zweiter „Fehler“. Ich bekam Rückmeldungen: Fünf stützten die negative Prognose. Die andere Hälfte allerdings kam mit einer positiven Antwort im Sinne von „Da geht mehr! Wir können etwas für dich tun!“ auf mich zu, verwiesen mich allerdings an die Onkologie. Und mit diesen Ärztinnen und Ärzten setzte ich mich persönlich in Verbindung, entweder bei einem Besuch vor Ort oder via Skype. Nachdem ich mir die in meinen Augen empathischste und engagierteste Ärztin ausgesucht hatte, wurde ich also Neupatient in einem Lungenfachzentrum, ein paar Stunden entfernt. Glücklicherweise wurde im ersten Krankenhaus ein Biopsat in die Pathologie geschickt – wenn auch erst eine Woche später. Mit der Testung war dann klar, dass ich eine Mutation habe – was in diesem Fall super ist, denn so kann ich zielgerichtet therapiert werden. Mit dem TKI, den ich aktuell bekomme, merkt mir mein Umfeld kaum etwas an. Manche sagen sogar: „Der ist gar nicht krank, er hat ja noch Haare.“

Heute weiß ich: Ich will von den besten Ärztinnen und Ärzten behandelt werden!

Was ich Menschen nach meinen Erfahrungen zuerst mit auf den Weg geben möchte, ist: Stellt euch die Frage, ob ihr euch bei euren jeweiligen Ärzten und Ärztinnen von Hausarztpraxis über Fachpraxen hin zur Klinik gut aufgehoben fühlt – auch bei schlimmen Diagnosen! Das habe ich auf die harte Tour gelernt – ich würde diese Frage heute bei einigen Ärzten mit Nein beantworten und das hat rückblickend großen Einfluss auf meinen ganzen Diagnoseweg genommen.

 

Heute fühle ich mich in guten Händen bei meiner Onkologin in einem spezialisierten Lungenfachzentrum. Ich schätze an meiner Ärztin, dass sie so empathisch ist und dass sie zugibt, wenn sie selbst überfragt ist. Ihre Devise ist dann nicht Stillstand, nein, sie holt sich direkt Rat von anderen Spezialisten ihres Fachs ein. Und das macht eine gute Versorgung für mich aus. Auch dass die Ärztin bzw. der Arzt mir gleich verschiedene Optionen oder auch bereits Therapielinien aufzeigt. Sie vermitteln damit, dass es Möglichkeiten gibt, auch wenn die Therapie einmal aufhören sollte zu wirken – das macht Mut! Sie ist das komplette Gegenteil zur ersten Klinik, die mir eigentlich nur mein Ende prophezeiten. Hätte ich das gewusst, hätte ich bereits die Biopsie im Fachzentrum machen lassen. Auch von meinem Hausarzt, der alles selbst lösen wollte, hätte ich mir gewünscht, dass er mich viel früher zum Spezialisten überweist. Ich bin da jetzt auch sehr rigoros: Wenn ich feststelle, dass ich auf dem gleichen Wissensstand bin wie der Mensch vom Fach selbst, dann suche ich direkt nach jemandem mit mehr Expertise. Natürlich habe ich Respekt vor Ärztinnen und Ärzten, jedoch sind es keine Götter in Weiß für mich, sondern auch nur Menschen, die ihren Beruf ausüben. Leider begegnen mir auch heute noch Ärzte auf Kongressen, die zu meiner TKI-Therapie „Tabletten-Chemo“ sagen. Aber das ist eben, wie in anderen Berufen: Wenn man zehn Tischler hat, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass alle zehn gut sind. Mein Überlebenswille trieb mich an, von den Besten ihres Fachs behandelt zu werden – und diese ausfindig zu machen. Dass ich so vehement für mich einstehen kann, das habe ich zum Teil in meinem Beruf gelernt. Ich bin zum Glück nicht schüchtern, ich musste oft vor vielen Menschen sprechen. Auch mein Engagement, mein Ehrgeiz schimmern hier sicherlich durch, ich bin oft für meine Kunden der Advokat gewesen. Jetzt muss ich es für mich selbst sein!

Gemeinsam aufklären, den Horizont erweitern und Mut machen

Meine Freundin Sara gibt viel von ihrer Freizeit und unterstützt mich in meinem Engagement. Sie ist nicht nur für mich mit der Erkrankung eine große Stütze. Gerade bei meinem Auftritt nach Außen, mit dem Podcast und dem Instagram-Account, investiert sie extrem viel Zeit. Wir haben es ein bisschen aufgeteilt, ich kümmere mich vor allem um den Podcast, sie sich hauptsächlich um Instagram. Seit meiner Erkrankung bin ich auch viel auf Kongressen und für andere Treffen mit Betroffenen unterwegs – sie begleitet mich auf fast jeder Reise. Mittlerweile merken wir, dass wir auch lernen müssen, gut mit unseren Ressourcen zu haushalten. So wichtig uns unser Engagement ist – es kann auch mal anstrengend werden. Wir sehen aber auch die guten Seiten, nicht nur die Früchte unseren Engagements, sondern vor allem auch die gemeinsame Zeit, die wir durch unsere Projekte haben.

 

Mit unserem Herzensprojekt, dem Podcast, möchten wir Menschen zeigen, dass es sich lohnen kann, eine Zweitmeinung einzuholen und vor allem selbst aktiv zu werden. Das betrifft nicht nur Menschen mit einer Krebsdiagnose. Und tatsächlich bekommen wir viele Zuschriften von Hörerinnen und Hörern mit unterschiedlichsten Erkrankungen, die neuen Mut schöpfen. Beim Podcast kommt tatsächlich auch mein Ehrgeiz durch: Ich habe Equipment für eine gute Aufnahmequalität eingekauft und einen Raum eingerichtet, bevor wir überhaupt wussten, wie der Podcast überhaupt ankommt. Aber wenn ich etwas mache, dann mache ich es auch richtig.

Nils erzählt seine Geschichte innerhalb unserer Initiative mit dem Bundesverband Lungenkrebs e.V. zum Lungenkrebs-Awarenessmonat im November. Gemeinsam möchten wir so auf die Gesichter und Geschichten hinter Lungenkarzinomen aufmerksam machen. In Nils Verlauf spielt vor allem das Thema molekulare Testung und Zweitmeinung eine große Rolle, mehr Informationen für Fachkreise zu dem Thema finden Sie auch hier.

 

Folgen Sie unserem Kanal für weitere Betroffenengeschichten in diesem Monat und erfahren Sie auch mehr über Eva, Julia, Karen, Annette, Christian und Uwe, wenn diese aus ihrem Leben mit Lungenkarzinom berichten.

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