MS

Multiple Sklerose

Wie Sie dem chronischen Fatigue-Syndrom bei MS begegnen können
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Fatigue ist eines der häufigsten Symptome der Multiplen Sklerose (MS) und wirkt sich negativ auf die Lebensqualität sowie berufliche und soziale Aspekte der Betroffenen aus.1-4 Prof. Dr. Mark Obermann, Chefarzt der Klinik für Neurologie, St. Ansgar Krankenhaus Höxter, sprach im Rahmen des B-Zell-Forums im Juni 2023 u. a. über die Bedeutung von Fatigue für MS-Patient:innen und mögliche Behandlungsoptionen.

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Fatigue als hochbelastendes Symptom bei MS – ein Fallbeispiel [4:40 min]

Fatigue wird bei 69 % der MS-Patient:innen beobachtet.8 Daneben kommen auch Symptome wie Schläfrigkeit (bei 45 %) und Depression (bei 26,8 %) häufig vor. Bei 16,9 % der MS-Patient:innen treten sogar alle drei Symptome auf, nur 23,9 % bleiben diesbezüglich symptomlos. Auch überlappen Fatigue, Schläfrigkeit und Depression häufig stark und lassen sich oft nur schwer voneinander abgrenzen.8 „Diese neuropsychiatrischen Symptome zu unterscheiden ist auch deshalb schwierig, weil die Fatigue selbst nicht ausreichend charakterisiert ist und die Betroffenen sie häufig unterschiedlich definieren“, erklärte Prof. Obermann. Auch Ängste als Begleiterscheinung der MS würden oft nicht ernst genommen, so der Neurologe.

Abbildung 1: Häufigkeit und Symptomüberlappung von Schläfrigkeit, Fatigue und Depression bei MS, dargestellt in Eulero-Venn-Diagrammen.8

Erfahren Sie hier, wie sich die Fatigue im Verlauf einer MS-Erkrankung entwickelt.

Wie sich Fatigue während der MS entwickelt – Prof. Obermann erklärt [3:10 min]

 

„Die Pathophysiologie der Fatigue ist leider noch weitgehend ungeklärt“, erklärte Prof. Obermann. Bekannt ist, dass in bestimmten Arealen des Gehirns von MS-Patient:innen mit Fatigue strukturelle Auffälligkeiten wie Hirnatrophie vorliegen.9 In einer Kohortenstudie mit 70 Patient:innen mit schubförmig remittierender MS (RRMS), die mittels Magnetresonanztomographie (MRT) über 4,8 Jahre beobachtet wurden, litten 40 % an Fatigue: Die Fatigue ging mit einem höheren EDSS (Expanded Disability Status Scale)-Wert und einem größeren Volumenverlust im Corpus Callosum (CC) (-21,8 % vs. -12,1 %, p = 0,005) einher. Zudem korrelierte die Schwere der Fatigue mit der CC-Atrophie über die Zeit. Diese Korrelation war unabhängig vom EDSS, der Krankheitsdauer, dem Geschlecht und dem Alter.9

Mit der Fatigue Scale for Motor and Cognitive Function (FSMC) kann die Schwere der Fatigue bestimmt werden. Wie das funktioniert und warum sich der Test lohnt, erläutert Prof. Obermann im Video:

Fatigue messen – Prof. Obermann erklärt [2:07 min]

Das Risiko für Depression, Fatigue und Angst ist bei übergewichtigen Patient:innen höher als bei normalgewichtigen. Auch bei Patient:innen, die sehr inaktiv sind, wenig Sport treiben und auch keinen anderen körperlichen Aktivitäten nachgehen, ist das Risiko eine Fatigue zu entwickeln erhöht.10 „Diese Beobachtung hat nicht unbedingt mit der Behinderung zu tun, sondern eher mit dem individuellen Anspruch aktiv zu sein und Sport zu treiben“, ordnete Prof. Obermann die Zusammenhänge ein. Denn besonders bei Patient:innen mit einem niedrigen EDSS (0‑1,5), die keinen Sport treiben, ist die mangelnde Bewegung mit Fatigue assoziiert.11 „Das müssen wir den Patient:innen unbedingt mit auf den Weg geben.“

Als unterstützende Maßnahmen bei Fatigue seien Physiotherapie, Sport bzw. körperliche Aktivität, aber auch Coping Strategien, Yoga und Kältetherapie möglich. „Medikamentöse Therapien haben meist keinen anhaltenden Erfolg“, betonte der Neurologe. „Psychotherapie auf verhaltenstherapeutischer Grundlage kann die Fatigue dagegen deutlich bessern.“ Auch Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA), die den Betroffenen verschrieben werden können, sind denkbare Optionen.12

Mehr zu Fatigue-lindernden Maßnahmen erfahren Sie im Video:

Prävention und supportive Therapiestrategien bei Fatigue – Prof. Obermann erklärt [2:03 min]

Fazit

Fatigue, Depression und Angst treten bei Patient:innen mit MS sehr häufig auf – auch unabhängig von der Krankheitsschwere.6,8 Die Ursachen sind bisher ungeklärt. Verschiedene Therapieansätze, die körperliche Bewegung und Psychotherapie beinhalten, sowie DiGAs versprechen Erfolg beim Umgang mit den neuropsychiatrischen Symptomen der MS.11-13

Fatigue kann zu jedem Zeitpunkt während der MS-Erkrankung auftreten, oft ist sie aber schon von Beginn an präsent.4,5 Dabei hängen Fatigue und Behinderungsgrad oder Dauer der MS kaum zusammen.6 Anders als eine normale Müdigkeit, tritt die Fatigue unerwartet und ohne ersichtliche äußere Ursache auf.6,7 „Fatigue ist einer der häufigsten Gründe für Berufsunfähigkeit und zählt damit zu den Hauptursachen für Invalidität und Frühberentung bei unseren MS-Patient:innen“, berichtete Prof. Obermann.

Im Video erläutert Prof. Obermann die Bedeutung von Fatigue anhand eines Fallbeispiels und gibt einen Überblick:

1. Freal JE et al., Arch Phys Med Rehabil 1984; 65(3):135-8

2. Fisk JD et al., Can J Neurol Sci 1994; 21(1):9-14

3. Krupp LB et al., Arch Neurol 1988; 45(4):435-7

4. Comi G et al., J Neurol 2001; 248(3):174-9

5. Whitaker J, Mitchell G. Clinical features of multiple sclerosis; 1997. In: Raine CS, McFarland HF, Tourtellotte WW, editors. Multiple Sclerosis Clinical and Pathogenetic Basis. London: Chapman and Hall Medical

6. Penner IK et al., Mult Scler 2007; 13(9):1161-7

7. Penner IK. Acta Neurol Scand 2016; 134(Suppl. 200):19-23

8. Sparasci D et al., J Neurol 2022; 269(9):4961-71

9. Yaldizli Ö et al., J Neurol 2011; 258(12):2199-205

10. Rezaeimanesh N et al., Front Neurol 2023; 14:1126215

11. Gervasoni E et al., Mult Scler Rel Disord 2022; 64:103841

12. Bundesärztekammer. Der Arztberuf im Wandel digitaler Transformation – Positionspapier zum Einsatz medizinischer Apps in der Versorgung, Berlin, 16.03.2023; Online: https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/BAEK/Themen/Digitalisierung/Positionspapier_zum_Einsatz_medizinischer_Apps_in_der_Versorgung-_Stand-_16.03.2023.pdf (abgerufen am 19.01.2024)

13. Van den Akker LE et al., Mult Scler 2017; 23(11):1542-53

1. Freal JE et al., Arch Phys Med Rehabil 1984; 65(3):135-8

2. Fisk JD et al., Can J Neurol Sci 1994; 21(1):9-14

3. Krupp LB et al., Arch Neurol 1988; 45(4):435-7

4. Comi G et al., J Neurol 2001; 248(3):174-9

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