Nur vergesslich oder bald dement?

Brille im Kühlschrank gefunden, Katze nicht gefüttert – die Grenze zwischen Zerstreutheit und beginnender Alzheimer-Demenz ist nicht leicht zu ziehen. Doch nur durch eine frühe Diagnose und Behandlung lässt sich der Krankheitsverlauf bremsen. Diese 4 Schritte leiten durch die Frühdiagnostik.

Wenn Menschen mit Alzheimer-Krankheit sich zum ersten Mal Gedächtnisprobleme eingestehen, hat ihr Gehirn meist schon irreparablen Schaden genommen. Wenn Sie die progrediente, neurodegenerative Erkrankung jetzt erkennen, lässt sich der Verlauf jedoch noch verlangsamen.1,2 Solange die kognitiven Veränderungen mild sind, liegt eine leichte kognitive Störung vor, ein mild cognitive impairment (MCI).3 Die Betroffenen suchen dann zum Beispiel länger nach Worten oder verlieren beim Zeitunglesen den Faden. Eine Demenz liegt erst vor, wenn die Verschlechterung so gravierend ist, dass sie den Alltag beeinträchtigt.1

Schritt 1: Überblick verschaffen

Eine gründliche Anamnese gibt Ihnen erste Hinweise auf die Ätiologie und hilft Ihnen, den Schweregrad und den bisherigen Verlauf einzuschätzen. Besonders wichtig: Befragen Sie auch die Angehörigen ausführlich.

Die wichtigsten Fragen für die Anamnese2

  • Wie ist die Symptomatik?
  • Welche somatischen und psychischen Krankheiten (z. B. Depression) bestehen aktuell oder sind in der Vergangenheit aufgetreten?
  • Wie war der bisherige Verlauf (z. B. abrupt oder schleichend, über welchen Zeitraum)?
  • Welche Medikamente nimmt die/der Patient:in?
  • Gibt es Beeinträchtigungen im Alltag?

Neben Eigenanamnese ist eine Fremdanamnese wichtig: Angehörige bemerken Veränderungen oft als Erste und können Problembereiche und die Alltagsbewältigung einordnen.

Schritt 2: Merkfähigkeit ausloten

Mithilfe eines kurzen Screenings können Sie abschätzen, ob eine kognitive Störung vorliegt, insbesondere im Bereich der Merkfähigkeit. Für milde Symptome eignen sich DemTect4 und MoCa5.

Um leichte kognitive Beeinträchtigungen einzuordnen, können Sie zudem die neotivCare -App verwenden.6 Die App unterstützt auch dabei, Patient:innen zu identifizieren, die einer weiteren Diagnostik zugeführt werden sollten.

Kognitive Screenings1

Test Beschreibung Bemerkungen
Mini-Mental-Status-Test (MMST)1,7
  • Dauer ‹ 10 Minuten
  • Liefert eine Einschätzung kognitiver Defizite bei Demenz
  • Der gängigste kognitive Kurztest
  • Deckeneffekte schränken die Aussagekraft bei leichten kognitiven Störungen ein
  • Ergebnis vom Alter und Bildungsgrad beeinflusst
Montreal Cognitive Assessment Test (MoCA)1,5
  • Dauer: ca. 10 Minuten
  • misst Gedächtnis, Sprache, Abstraktion, exekutive Funktionen, Visuokonstruktion und Aufmerksamkeit
  • Auch als 5-minütiger Test verfügbar, der telefonisch durchgeführt werden kann8
  • Zur Erkennung leichter Symptome dem MMST überlegen1
  • Lässt sich für den Bildungsgrad korrigieren
  • Besonders die Unterkategorien (zeitliche) Orientierung, verzögerter Wortabruf und Wortflüssigkeit geben Hinweise auf eine Demenz vom Alzheimer-Typ
DemTect1,4
  • Dauer: ca. 10 Minuten
  • misst Gedächtnis, Wortflüssigkeit, intellektuelle Flexibilität und Aufmerksamkeit
  • Längere Wortliste als beim MMST, sensibler bei leichten kognitiven Störungen
  • Verzögerte Wiedergabe der Wortliste und Wortflüssigkeit geben Hinweise auf Alzheimer-Demenz
neotivCare App6
  • Dauer: ca. 20 Minuten, 1× wöchentlich über einen Zeitraum von 12 Wochen
  • Selbstständige Durchführung der Testung im häuslichen Umfeld und ohne Aufsicht
  • erkennt leichte kognitive Störungen (MCI)
  • erfasst Gedächtnisfunktion und in Teilen Aufmerksamkeit, Exekutivfunktions- und perzeptive Leistungen
  • Digitale Anwendung (App): erstellt als Ergebnis einen Befundbrief
  • Auf der Basis von 3 evidenzbasierten und wissenschaftlich validierten Tests
  • Tagesformabhängige Gedächtnisschwankungen werden durch die regelmäßigen Tests besser ausgeglichen

Schritt 3: Blut untersuchen

Kardiovaskuläre, metabolische oder endokrinologische Erkrankungen müssen als Ursachen der kognitiven Symptome ausgeschlossen werden.2 Dazu können Sie bereits im Rahmen der Basisdiagnostik Bluttests anordnen.

Serum- bzw. Plasmauntersuchungen

  • Blutbild
  • Elektrolyte (Natrium, Kalium, Calcium)
  • Nüchtern-Blutzucker
  • Thyreoidea-stimulierendes Hormon (TSH)
  • Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) oder C-reaktives Protein (CRP)
  • Glutamat-Oxalacetat-Transaminase (GOT)
  • Gamma-Glutamyltransferase (Gamma-GT)
  • Kreatinin
  • Harnstoff
  • Vitamin B12

Schritt 4: An Spezialistin und Spezialisten überweisen

Sind die Testergebnisse auffällig, besprechen Sie diese mit Ihrer/m Patient:in und stellen Sie für eine vertiefte Diagnostik eine Überweisung an eine Gedächtnisambulanz oder an eine:n niedergelassene:n Neurolog:in aus. Parallel können Sie bereits eine kraniale Magnetresonanztomografie (MRT) zur Abklärung einer kognitiven Störung anordnen*. Um die Symptome eindeutig einer Alzheimer-Krankheit zuzuordnen, werden an den Expertenzentren folgende Verfahren angewendet:2,9

*Empfehlung: Füllen Sie den Überweisungsschein an die radiologische Praxis korrekt aus und geben Sie den Auftrag zur Abklärung einer kognitiven Störung.

Ausführliche neuropsychologische Testung

Neuropsychologische Testbatterien zur Messung der kognitiven Funktionen und zur Differenzierung verschiedener möglicher Demenzursachen sind etwa

  • CERAD (Consortium to Establish a Registry for Alzheimer's Disease),
  • ADAS-cog (Alzheimer's Disease Assessment Scale-cognitive Subscale) und
  • CDR (Clinical Dementia Rating Scale).

Damit lässt sich das Leitsymptom der Demenz vom Alzheimer-Typ spezifizieren: die Gedächtnisstörung. Im Verlauf der Alzheimer-Demenz verschlechtern sich dann weitere kognitive Domänen:1,10

  • Exekutivfunktionen – z. B. Entscheidungen treffen, Probleme lösen und sich Urteile bilden
  • Aufmerksamkeit
  • Sprache – z. B. Wortfindung
  • psychomotorische Geschwindigkeit
  • visuelle und räumliche Fähigkeiten
  • Orientierung in Raum und Zeit, zur Situation und zur eigenen Person (etwa Name und Familienstand)

Psychopathologische Untersuchung

Es wird untersucht, ob Depression, Delir, Schizophrenie oder Abhängigkeitserkrankungen vorliegen und diese die Symptome erklären oder verschlimmern könnten.

Liquordiagnostik

Die Liquordiagnostik dient dem Ausschluss entzündlicher Gehirnerkrankungen und dem Nachweis von Korrelaten neuropathologischer Veränderungen der Alzheimer-Krankheit (Amyloid-β, Gesamt-Tau und Phospho-Tau).

Bildgebung

Eine kraniale Magnetresonanztomografie (MRT) oder Computertomografie (CT) misst die Gehirnatrophie. Bei der Alzheimer-Krankheit atrophieren zunächst Nervenzellen in den medialen Temporallappen des Gehirns einschließlich des Hippocampus, der Informationen in das Langzeitgedächtnis speichert.1,3,11,12 In seltenen Fällen wird eine Fludeoxyglucose-Positronenemissionstomografie (FDG-PET) angewendet: Sie misst den Glukosestoffwechsel im Gehirn. Bei Alzheimer-Krankheit findet sich insbesondere ein parietotemporaler Hypometabolismus.2

Eine Zusammenfassung der wichtigsten Schritte zur Alzheimer-Frühdiagnose finden Sie hier: Gehirn-Check-up

Früh diagnostiziert – und dann?

„Auf jeden Fall“ oder „lieber nicht“ – ob eine vertiefte Diagnostik durchgeführt wird und welche Behandlung gewählt wird, entscheiden Sie im Gespräch mit Ihren Patient:innen. Wichtig ist, die Betroffenen aufzuklären. Therapeutische Maßnahmen können das Voranschreiten der Krankheit verlangsamen, etwa psychosoziale Interventionen, Ergotherapien und Antidementiva.2,14
Aktuell werden mehrere krankheitsmodifizierende Therapien klinisch erforscht.15

Nur bei einer frühen Diagnose können Sie rechtzeitig über die Symptomatik, Therapiemöglichkeiten, präventive Maßnahmen und Unterstützungsangebote aufklären. Viele Betroffene können dann noch jahrelang unabhängig leben, ihre Behandlungs- und Versorgungswünsche äußern und ihre Angelegenheiten regeln.

Weitere Informationen zur Alzheimer Frühdiagnose finden Sie hier


 

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