Alzheimer im Praxisalltag

Mit steigender Prävalenz wird die Alzheimer-Krankheit immer häufiger Thema in der hausärztlichen Praxis. Worin bestehen aktuell die Herausforderungen und was braucht es für die Zukunft? Drei Fragen an Dr. med. Annika Schreiber, Fachärztin für Allgemeinmedizin aus München.
 

Mit welchen Herausforderungen sind Sie momentan in Ihrer hausärztlichen Praxis konfrontiert, wenn es um die Erkennung und Therapie von Patient:innen mit Alzheimer geht?

Unser Ziel ist natürlich, dass wir die Erkrankung bereits in einem frühen Stadium erkennen. Hier ergeben sich mehrere Problemfelder: Einerseits sind die Symptome gerade in den frühen Stadien häufig sehr unspezifisch. Auf der anderen Seite haben wir in der Hausarztpraxis für gewöhnlich nicht so viel Zeit: So haben wir oft nur fünf bis zehn Minuten pro Patient:in. Eine weitere Herausforderung ergibt sich aus der Tatsache, dass bei vielen Patient:innen das Thema Demenz sowieso schwierig ist. Vielen ist es unangenehm, dass sie bestimmte Dinge nicht mehr so gut können. Das führt dazu, dass sie Beschwerden oft gar nicht offen ansprechen und sogar verheimlichen. Aber genau das, was kompliziert ist, nämlich die Früherkennung, ist für die Therapie ganz wichtig, weil die Medikamente, die uns momentan zur Verfügung stehen, den Verlauf nur verlangsamen, aber eben nicht rückgängig machen. 

Zusammenfassend lassen sich also zwei große Herausforderungen identifizieren: Einerseits die Diagnostik im Frühstadium, die aufgrund der unspezifischen Symptomatik, aber auch wegen der Gesamtlage schwierig ist. Und andererseits die Therapie der Alzheimer-Krankheit, die momentan auch noch nicht einfach ist, weil es die entsprechenden Medikamente noch nicht gibt.

Welche Rolle spielen Hausärzt:innen aktuell in der Therapie von Patient:innen mit Alzheimer?

Wir Hausärzt:innen sind die erste Anlaufstelle und eigentlich bei allen Erkrankungen Weichensteller:innen – auch bei der Alzheimer-Krankheit. Das heißt, die Patient:innen landen als erstes bei uns mit ihren Symptomen. Im Gegensatz zu Fachärzt:innen sehen wir sie auch über einen längeren Zeitraum und kennen oftmals auch die Angehörigen. Deswegen fällt uns als erstes auf, wenn etwas nicht stimmt – auch wenn Patient:innen uns nicht direkt darauf ansprechen. Es liegt damit also in unserer Verantwortung, ob eine Erkrankung früh oder spät diagnostiziert wird. 

Die Therapie an sich wird natürlich auch von Fachärzt:innen mitgetragen. In der Hausarztpraxis kümmern wir uns jedoch um den Verlauf: Haben Patient:innen eine Therapie von Fachärzt:innen verschrieben bekommen, dann sehen und betreuen wir sie weiterhin regelmäßig. Auch die Behandlung der einzelnen Symptome liegt in der hausärztlichen Verantwortung. Neben der bekannten Vergesslichkeit äußert sich eine Alzheimer-Krankheit auch in anderen Symptomen wie Angst, Unruhe oder einer Depression. Auch hier sind wir erste:r Ansprechpartner:in – sowohl für die Betroffenen als auch für die Angehörigen. 

Wie sehen Sie Ihre zukünftige Rolle und was muss sich konkret dafür ändern?

Als Hausärzt:innen möchten wir unsere Patient:innen so gut wie möglich durch alle Lebensabschnitte begleiten. Dazu gehören auch die späten Lebensabschnitte mit einer Demenzerkrankung. Unsere Aufgabe ist es, Patient:innen über die Therapiemöglichkeiten zu informieren und aufzuklären, sodass sie diese überhaupt in Anspruch nehmen können. 

Es ist wünschenswert, dass wir als Hausärzt:innen Erkrankungen, die wir im Frühstadium noch gut behandeln können, zukünftig noch früher erkennen können. Helfen würde hier ein Standard für eine Diagnostik, wie zum Beispiel eine regelmäßige Check-Up Untersuchung. Diese sollte regelmäßig durchgeführt werden, damit wir möglichst viele Patient:innen früh identifizieren, die von einer Therapie profitieren könnten. Dazu gehört aber auch, dass es nach der Diagnose eine passende Therapie gibt.


In einer Umfrage unter 300 Allgemeinmediziner:innen teilten 75 % die Ansicht, dass das Thema Alzheimer-Krankheit im Arzt-Patienten-Gespräch schwierig sei. Fast die Hälfte sahen die Herausforderungen in der Diagnosestellung in fehlenden Ressourcen. Auch die mangelnde oder nicht ausreichende Vergütung wurde von den Befragten genannt.1

Sie wollen mehr erfahren zu den aktuellen Forschungsansätzen in der Behandlung der Alzheimer-Krankheit?
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