Ophthalmologie
Behandlungsintervalle bei
nAMD-Patient:innen
Die neovaskuläre altersabhängige Makuladegeneration (nAMD) bedeutet im fortgeschrittenen Stadium eine massive Beeinträchtigung der Lebensqualität und Selbstständigkeit von Betroffenen. Aus diesem Grund ist das oberste Therapieziel ein möglichst frühes Aufhalten des Krankheitsfortschritts. Die Beteiligung des Wachstumsfaktors VEGF (vascular endothelial growth factor) an der pathologischen Gefäßneubildung und der damit verbundenen Visusverschlechterung legte den Grundstein für die anti-VEGF Therapie.1 Voraussetzung für den langfristigen Erhalt der Sehkraft ist die frühzeitige Einleitung einer effektiven Therapie. Hierfür stehen u.a. verschiedene anti-VEGF-Therapien zur Verfügung, mit denen in der klinischen Praxis ein kompletter Erhalt der Sehschärfe, in den ersten zwei bis drei Behandlungsjahren - meist sogar eine Verbesserung -, erzielt werden kann.2-4 Unbehandelt kann sich der Visus hingegen um durchschnittlich 15 ETDRS Buchstaben (3 Zeilen, 0,3 logMAR) innerhalb von 2 Jahren verschlechtern.5
1. Die Therapie-Adhärenz
Regelmäßige Kontrolluntersuchungen sowie intravitreale Injektionen sind essentiell, um eine dauerhafte Krankheitskontrolle zu gewährleisten.2 In der klinischen Praxis ist nach der Diagnosestellung allerdings häufig ein rascher Rückgang der Therapieadhärenz zu verzeichnen und bereits nach 6 Monaten wird durchschnittlich nur noch etwa ein Drittel der Patient:innen leitlinienkonform behandelt.6 Dies wirkt sich wiederum negativ auf den Erhalt der Sehschärfe aus. Die organisatorischen und patientenspezifischen Ursachen einer solchen Unterbehandlung sowie insbesondere mögliche Gegenmaßnahmen zur Stärkung der Therapieadhärenz haben Albrecht Lommatzsch und Kollegen in 2021 zusammengefasst.6 Lesen Sie dazu mehr in unserem Artikel zum Thema Therapieadhärenz.
2. Das Behandlungsintervall
Anfängliche Therapieregime sahen eine strikt monatliche Injektion der anti-VEGF Therapeutika vor. Da dies meist eine unnötige Überbehandlung, Patientenbelastung und Infektionsgefahr darstellt, wurden mehrere Behandlungsstrategien zur Verlängerung des individuellen Therapieintervalls etabliert.7 Die beiden wichtigsten Strategien sind das „pro re nata“ und das „treat and extend“ Behandlungsregime. Beiden ist gemein, dass auf eine Phase anfänglich monatlicher Injektionen eine Phase krankheitsadaptierter Intervalle folgt. In der klinischen Praxis konnte ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Zahl jährlicher intravitrealer Injektionen und dem Behandlungserfolg gezeigt werden.2-4 Das Minimum zum Erhalt der Sehschärfe lag bei etwa 5 Injektionen im ersten Behandlungsjahr, durchschnittlich wurden etwa 8 Injektionen verabreicht, was einem Intervall von 6,5 Wochen entspricht.3,4 Da allerdings jede Injektion mit einem potenziellen Infektionsrisiko verbunden ist7 und eine Belastung für die Patient:innen darstellt, zielen aktuelle Strategien zur Therapieoptimierung auf das größtmögliche Intervall ab, welches noch ausreichend wirksam ist.
Im Verlauf der COVID-19 Pandemie kam es aufgrund weltweiter und weitreichender Maßnahmen zur Pandemieeindämmung sowie überlasteter medizinischer Versorgungskapazitäten zu einer Abnahme nicht-notfallmäßiger Behandlungen und Kontrolluntersuchungen. Einen möglichen Einfluss auf die Behandlungsintervalle und den Krankheitsverlauf von nAMD Patient:innen hat eine aktuelle Metaanalyse von 14 Beobachtungsstudien an 1.931 Patient:innen weltweit untersucht.8 Das Intervall zwischen der letzten Behandlung vor der Pandemie und der ersten Behandlung innerhalb der Pandemie betrug im Durchschnitt etwa 4 Monate. In den meisten Studien wurde eine Visusverschlechterung zwischen den beiden Visiten beobachtet. Während Studien mit einem beobachteten Behandlungsintervall unter 4 Monaten eine durchschnittliche Abnahme der Sehschärfe um etwa 2 ETDRS Buchstaben (0,044 logMAR) fanden, lag dieser negative Pandemie-Effekt bei Patient:innen mit einem Behandlungsintervall von 4 Monaten oder mehr mit einem Verlust von etwa 6 ETDRS Buchstaben (0,126 logMAR) deutlich darüber. Diese Daten zeigen, wie entscheidend optimale und auf den patientenindividuellen Krankheitsstatus angepasste Therapieintervalle, regelmäßige Kontrolluntersuchungen und eine hohe Therapieadhärenz für den Behandlungserfolg sind.
1. Nowak JZ. Pharmacol Rep. 2006 May-Jun;58(3):353-63.
2. Holz FG et al. Br J Ophthalmol. 2016;100:1623–1628. doi: 10.1136/bjophthalmol-2015-308166.
3. Holz FG et al. Eye (Lond). 2016 Aug;30(8):1063-71. doi: 10.1038/eye.2016.90.
4. Chandra S et al. Eye (Lond). 2021 Feb;35(2):409-417. doi: 10.1038/s41433-020-0851-y. Epub 2020 Apr 7.
5. Rosenfeld PJ et al. N Engl J Med. 2006 Oct 5;355(14):1419-31. doi: 10.1056/NEJMoa054481.
6. Lommatzsch A et al. Ophthalmologe. 2021 Aug;118(8):801-809. doi: 10.1007/s00347-020-01273-5.
7. Stahl A. Dtsch Arztebl Int. 2020 Jul 20;117(29-30):513-520. doi: 10.3238/arztebl.2020.0513.
8. Im JH et al. Surv Ophthalmol. 2022 Aug 12;S0039-6257(22)00113-8. doi: 10.1016/j.survophthal.2022.08.002.