Zukunft der Onkologie
Zielgerichteter Ansatz an Krebszellen
Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADCs, Antibody Drug Conjugates) sind moderne Medikamente, die stärker zielgerichtete Therapien ermöglichen. Mittels ADC-Technologie können z.B. Krebsmedikamente systematisch in definierte Tumorzellen eingeschleust und gleichzeitig gesunde Zellen bezüglich zelltoxischen Wirkungen besser geschont werden. Das kann die Effizienz von Krebstherapien im Vergleich zu konventionellen Chemotherapien deutlich erhöhen.
Alle Vertreter aus der Wirkstoffklasse der ADC setzen sich aus drei Bausteinen zusammen: Einem hochpotenten Chemotherapeutikum, einem monoklonalen Antikörper und einem Linker, der beide Komponenten zunächst stabil miteinander verbindet. Die bei Krebstherapien verwendeten monoklonalen Antikörper sind so konstruiert, dass sie spezifisch Antigene erkennen, die insbesondere von malignen Zielzellen exprimiert werden. In diesen Fällen erreicht die Therapie die gewünschte maximale Zielgenauigkeit: Mit der spezifischen Bindung an das Oberflächenantigen einer malignen Zielzelle liefert der Antikörper den gekoppelten zytotoxischen Wirkstoff exakt dort ab, wo er gebraucht wird. Gesunde Zellen ohne das spezifisch erkannte Oberflächenantigen werden sehr weitgehend geschont. So lassen sich systemische Auswirkungen des eingesetzten Zellgiftes und damit verbundene Nebenwirkungsrisiken minimieren.
Das ADC funktioniert quasi wie ein trojanisches Pferd: Sobald das ADC an die Zielzelle angedockt hat, wird es von dieser als Ganzes internalisiert. Der zytotoxische Wirkstoff wird dann im Zellinneren vom Linker gelöst, erst damit kommt es zur therapeutischen Scharfschaltung. Beispielsweise werden in ADC Zellgifte verwendet, die nach Trennung vom ADC die Mikrotubuli-Polymerisation blockieren und dadurch den programmierten Zelltod einleiten. Die malignen Zellen lösen demnach die zelltoxischen Prozesse über zelleigene ADC-spaltende oder ADC-abbauende Enzyme selbst aus.
Zur Behandlung von Krebsleiden sind weltweit derzeit elf ADC zugelassen.1 Mehr als 100 befinden sich in der klinischen Entwicklung.2 Mit methodischen Fortschritten und weiteren Optimierungen der Technologie dürfte sich die Auswahl an spezifischen Tumorantigenen, Linkern und zytotoxischen Wirkstoffen zukünftig deutlich erweitern. Wissenschaftler erwarten daher perspektivisch eine breitere Anwendung der ADC-Technologie, auch in Therapiebereichen außerhalb der Onkologie.2
Die ADC-Technologie steht und fällt mit der Konstruktion geeigneter Linker. Die Verbindungsmoleküle müssen einerseits stabil genug sein, dass die ADC-Moleküle nach Eintritt in den Körper nicht vorzeitig auseinanderbrechen, sondern als Ganzes an die Zielzelle gelangen. Andererseits muss nach Internalisierung in die Tumorzelle gewährleistet sein, dass die transportierte zytotoxische Komponente wie gewünscht wirken kann. Bioingenieure haben dazu zwei Lösungen entwickelt: Unterschieden werden spaltbare Linker und nicht spaltbare Linker, die sich beispielsweise in Bezug auf die Stabilität des ADCs im Plasma und dem in der Zielzelle realisierten Freisetzungsmechanismus unterscheiden können.3 Beide Typen von Linkern werden heute in ADC verwendet, die sich in der klinischen Anwendung befinden.
2. https://www.biochempeg.com/article/74.html
3. Pettinato MC. Introduction to Antibody-Drug Conjugates. Antibodies 2021; 10: 42. https://doi.org/10.3390/ antib10040042