Zukunft der Onkologie
Neue Generationen therapeutischer Antikörper - neue Behandlungsoptionen
Die Zulassung des ersten monoklonalen Antikörpers zur Behandlung von Krebs liegt rund 25 Jahre zurück. Heute sind Antikörpertherapien aus den Standard-Repertoires der unterschiedlichsten Fachrichtungen nicht mehr wegzudenken – und werden in ganz verschiedener Weise zu neuen hoffnungsvollen Behandlungsoptionen weiterentwickelt. Beispielhaft dafür stehen etwa bispezifische Antikörper. Erste Vertreter z.B. der bispezifischen Antikörper sind im Behandlungsalltag angekommen, zahlreiche weitere befinden sich in der klinischen Entwicklung.
Tumorerkrankungen sind komplex und durch den Angriff an einem einzelnen Target im Regelfall nicht dauerhaft zu kontrollieren. Bispezifische Antikörper ermöglichen parallele Bindungen an zwei krebsrelevante Faktoren, sie werden der Komplexität der Erkrankung besser gerecht. Beispielsweise, indem eine der beiden Antigenbindungsstellen zur direkten Rekrutierung von Effektorzellen genutzt wird.
Die Idee, zwei oder mehr verschiedene Antigen-erkennende Strukturen in einem einzigen bi- oder multispezifischen Molekül zu vereinen, ist beinahe so alt wie die Erforschung therapeutischer Antikörper selbst. Dass diese Technologie heute hilft, das Leben von Patientinnen und Patienten mit z.B. bestimmten Blutkrebsformen substanziell zu verlängern, ist der Akribie und dem Erfindungsreichtum von Wissenschaftlern zu verdanken. Den Durchbruch brachten moderne Herstellungstechnologien.
Bispezifische Antikörper entstehen durch die Kombination der leichten und der schweren Kette von zwei verschiedenen monoklonalen Antikörpern. Damit werden zwei verschiedene Antigenbindungsstellen erzeugt, die sich gegen unterschiedliche Targets richten.
Dass bispezifische Antikörper heute in einer vergleichbaren Quantität und Stabilität produziert werden können, wie monoklonale monospezifische Antikörper, ist alles andere als selbstverständlich. Die Herstellung dieser komplexen Moleküle in erforderlichen Mengen, galt lange als zu aufwändig. Eine Hauptschwierigkeit war, dass sich bei der Kombination von zwei unterschiedlichen Antikörpern leichte und schwere Ketten zufällig verbinden – und dadurch Fehlpaarungen statistisch viel häufiger entstehen als das gewünschte bispezifische Molekül. Die Frage war also, wie das Missverhältnis aus wenigen therapeutisch wirksamen Antikörpern und einem hohen Anteil nicht nutzbarer Nebenprodukte verbessert werden kann.
Das Problem wurde von Moleküldesignern in jahrelanger Entwicklungsarbeit und mit unterschiedlichen Ansätzen gelöst. Ein Beispiel ist die vor etwas mehr als zehn Jahren eingeführte „Knob-in-hole”-Technologie. Hier hatten die Bioingenieure die Idee, die Paarung der (unterschiedlichen) schweren Ketten im bispezifischen Antikörpermolekül durch den Austausch von jeweils einer Aminosäure sicherzustellen. Dazu konstruierten sie die Kontaktstelle zwischen den beiden Ketten so, dass eine der beiden Aminosäure sinnbildlich als Knopf, das Gegenstück als Loch fungiert. Aber: Da auch die unspezifische Bindung der leichten Antikörperketten an ihre schweren Gegenstücke therapeutisch nicht wirksame Nebenprodukte erzeugt, musste die Knob-in-hole-Technologie durch ein zweites Verfahren ergänzt werden. Dies leistet das so genannte „CrossMAb“-Verfahren, bei dem ebenfalls Bausteine zwischen den Ketten gezielt getauscht werden, hier der schweren und der leichten Ketten. Mit der so erreichten korrekten Paarung auch der leichten Ketten werden stabile bispezifische Antikörpermoleküle in großen Mengen verfügbar, ähnlich wie sie bei der Herstellung monoklonaler Antikörper erreicht werden.
Bis heute wurden mehr als 100 unterschiedliche Formate für bispezifische Antikörper entwickelt – und diese Liste wächst stetig weiter. Damit verbessern und beschleunigen sich zunehmend auch die Möglichkeiten, bispezifische Antikörper in einem größeren Umfang klinisch zu prüfen - zum Nutzen für Erkrankte.