Zukunft der Onkologie
Fortschritt durch bispezifische
Antikörper
Durch ihre besonderen Eigenschaften und durch die Verfügbarkeit einer weiteren Antigenbindungsstelle können bispezifische Antikörper Eigenschaften von monospezifischen Antikörpern weiter verbessern. Da sich beide Spezifitäten prinzipiell frei definieren lassen, ist eine Vielzahl vollständig neuer Therapieansätze denkbar, die zwei verschiedene Targets in. einem malignen Geschehen beeinflussen.
Bispezifische Antikörper lassen sich grob nach zwei Konstruktionsprinzipien unterteilen: Eine Gruppe umfasst Immunglobulin G-artige bispezifische Antikörper, die aus zwei – unterschiedlichen – Fab-Abschnitten (Fab = Fragment antigen binding) und einem Fc- (Fc = fragment crystallisable) Abschnitt bestehen. Die andere Gruppe beinhaltet Nicht-IgG-artige bispezifische Antikörper, die den für monoklonale Antikörper typischen Fc-Abschnitt nicht enthalten. Allen Vertretern dieser Wirkstoffgruppe ist gemeinsam, dass für eine therapeutische Nutzung zwei verschiedene molekulare Targets simultan adressiert werden können.
Ab diesem Punkt lassen sich zwei weitere grundlegende Prinzipien unterscheiden: Das erste beinhaltet bispezifische Antikörper, bei denen sich beide Antigenbindungsstellen direkt gegen den Krebs richten. Beispielsweise kann es für die Aktivierung eines Signalwegs erforderlich sein, zwei unterschiedliche Rezeptorproteine auf der Oberfläche einer Krebszelle gleichzeitig zu aktivieren. So ließe sich z.B. die Apoptose von Krebszellen auslösen. Auch die simultane Blockade von zwei pathogenetisch relevanten Proteinen oder zwei intrazellulären Signalwegen ist auf diese Weise möglich.
Beim zweiten gundlegenden Prinzip ist lediglich eine der beiden Spezifitäten direkt gegen die Krebszellen gerichtet, während die zweite Antigenbindungsstelle der Rekrutierung von körpereigenen T-Zellen dient. T-Zellen können als Bestandteile der adaptiven Immunabwehr ausgeprägte zytotoxische Wirksamkeit gegen Tumorzellen zeigen. Das macht sie therapeutisch wertvoll. Im Konzept der bispezifischen Antikörper gelingt eine effektive direkte Rekrutierung beispielsweise über die Bindung an den CD3-Rezeptor, der auf der Oberfläche der T-Zellen ubiquitär exprimiert wird. (Abbildung 1: A-C).
Abb. 1: Eine Antigenbindungsstelle eines bispezifischen Antikörpers dockt an ein Oberflächenprotein einer (malignen) B-Zelle – beispielsweise CD20 – an.
Über die zweite Antigenbindungsstelle erfolgt simultan eine Bindung an CD3-Rezeptoren auf T-Zellen (A).
Auf diese Weise werden beide Zelltypen in engen räumlichen Kontakt gebracht (B).
Damit einhergehende Signalkaskaden können dann die therapeutisch erwünschte effiziente Lyse der malignen Zielzelle einleiten (C). Dieses Prinzip wird bei der Behandlung von Patientinnen und Patienten mit B-Zell-Lymphomen bereits klinisch genutzt und wird in weiteren klinischen Studien untersucht.