Zukunft der Onkologie
Bispezifische Antikörper in der
Immunonkologie: Aktivierung
der körpereigenen
Immunantwort
Das Zentrum für Krebsregisterdaten (ZfKD) beziffert die jährlichen Krebsneuerkrankungen in Deutschland auf ca. 500.000 Patient:innen. In den kommenden Jahren ist aufgrund der demografischen Entwicklung ein weiterer Anstieg zu erwarten. Während die lokale und systemische Behandlung von Tumorerkrankungen in Form operativer Eingriffe sowie Chemo- und Strahlentherapie lange Zeit als Goldstandard galt, rücken nun Therapiekonzepte in den Vordergrund, die die körpereigene tumorspezifische Immunantwort aktivieren sollen.
In der frühen Phase der Tumorentwicklung erkennt das Immunsystem Tumorzellen und eliminiert sie mit Hilfe von Zellen des angeborenen und des erworbenen Immunsystems bevor sich die Erkrankung manifestieren kann. Jedoch können sich Tumorzellen dieser antitumoralen Immunantwort entziehen, indem sie regulatorische Signalwege beeinflussen. Das führt dazu, dass vermehrt immunsuppressive Faktoren produziert, die Produktion und Präsentation von Tumorantigenen auf der zellulären Oberfläche herunterreguliert oder T-Zell Checkpoints inhibiert werden. In dieser Phase der Tumorentwicklung kann das Immunsystem nur noch eingeschränkt Tumorzellen erkennen, sodass es zur aktiven Zellproliferation und somit der klinischen Manifestation der Tumorerkrankung kommen kann. Hier setzen immunonkologische Therapien an: Sie sollen das körpereigene Immunsystem so unterstützen, dass sich die Krebszellen dem Angriff der Zellen des Immunsystems nicht mehr entziehen können und die eigene Immunreaktion wieder aktiviert wird.
In der Hämatologie sind innovative Therapiemöglichkeiten, wie z. B.
bispezifische Antikörper zur Behandlung seltener und/oder maligner Erkrankungen, in den vergangenen Jahren zunehmend in den Fokus gerückt.
Bispezifische Antikörper weisen zwei unterschiedliche Antigenbindungsstellen auf, sodass sie gleichzeitig spezifisch an tumorassoziierte Antigene (TAA) (z. B. CD20) sowie an Oberflächenmoleküle (z. B. CD3 Rezeptor) der T-Zellen binden können. Immun- und Tumorzelle können so in räumliche Nähe gebracht werden. Durch die Bindung wird die T-Zelle aktiviert und es wird eine Signalkaskade ausgelöst. Die damit verbundene Ausschüttung des zytolytischen Proteins Perforin sorgt dafür, dass ein weiteres Protein (Granzym B) über die Zellmembran leichter in die Tumorzellen gelangen und damit den programmierten Zelltod auslösen kann. Das Prinzip der T-Zell Aktivierung durch bispezifische Antikörper findet in der Behandlung von B-Zell-Lymphomen wie zum Beispiel beim diffusen großzelligen B-Zell-Lymphom (DLBCL) oder dem follikulären Lymphom (FL) Anwendung. In umfangreichen klinischen Studienprogrammen werden bispezifische Antikörper in früheren Therapielinien, in Kombination mit anderen Therapien und in weiteren Indikationen intensiv untersucht und erforscht.