NMOSD

Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen

NMOSD-Therapien – wie vergleichbar sind sie?

Dank intensiver Forschung stehen Menschen mit Aquaporin-4-IgG-seropositiven (AQP4-IgG+) Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen (NMOSD) in Deutschland mittlerweile 4 zugelassene Therapieoptionen zur Verfügung.1-4 Einschlusskriterien und Design der einzelnen Zulassungsstudien sind jedoch sehr unterschiedlich - und es gibt weitere Unterschiede.5 Ist daher eine vergleichende Wirksamkeitsbewertung ohne weitere Studien überhaupt möglich?

Immuntherapien zur Behandlung von AQP4-IgG+ NMOSD

Die jüngsten Fortschritte im Verständnis der NMOSD-Pathogenese haben zur Entwicklung neuer Therapien zur Schubprophylaxe bei AQP4-IgG+ NMOSD geführt. Seit dem Jahr 2019 haben in Deutschland 4 Immuntherapien - mit zum Teil unterschiedlichen Wirkmechanismen - die Zulassung erhalten: Eculizumab, Satralizumab, Inebilizumab und Ravulizumab (Stand: April 2024; Tabelle 1).1-4

Die heute zur Verfügung stehenden Antikörper(Ak)-Therapien bei AQP4-IgG+ NMOSD basieren auf den positiven Ergebnissen der jeweiligen randomisierten kontrollierten klinischen Studien (RCTs). Neben dem Wirkmechanismus variieren jedoch auch das Studiendesign und die Einschlusskriterien der RCTs zum Teil erheblich.5,6

Erfahren Sie im Folgenden, wo die größten Unterschiede der NMOSD-Therapien liegen, und die Vergleichbarkeit aufhört.

Weitere Informationen zur Geschichte der NMOSD-Forschung erhalten Sie hier

Wirkstoff Eculizumab Satralizumab▼ Inebilizumab Ravulizumab
Wirkmechanismus C5-Antikörper1 IL-6-Rezeptor-Antikörper2 CD19-Antikörper3 C5-Antikörper4
Zugelassen* seit August 2019 Juni 2021 Mai 2022 Mai 2023
Anwendungsgebiet Erwachsene mit AQP4-IgG+ NMOSD mit schubförmigem Verlauf Erwachsene und Jugendliche ab 12 Jahren mit AQP4-IgG+ NMOSD Erwachsene mit AQP4-IgG+ NMOSD Erwachsene mit AQP4-IgG+ NMOSD
Anwendungsart Infusion (i.v.) unter ärztlicher Aufsicht Injektion (s.c.) mittels Fertigspritze zur selbstständigen Anwendunga Infusion (i.v.) unter ärztlicher Aufsicht Infusion (i.v.) unter ärztlicher Aufsicht

Tabelle 1: Für die Therapie der AQP4-IgG+ NMOSD in Deutschland zugelassene Therapien

* in Deutschland
a Die erste Injektion erfolgt unter der Aufsicht des Behandlungsteams. Nach ärztlicher Rücksprache und entsprechender Schulung durch medizinisches Fachpersonal können sich Patient:innen bzw. deren Betreuungspersonen das Medikament zuhause selbst verabreichen.
AQP4-IgG+: Aquaporin-4-IgG-seropositiv; s.c.: subkutan; IL-6: Interleukin-6; i.v.: intravenös; NMOSD: Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen

Gemäß §10 HWG sind die weiteren Inhalte nur für medizinische Fachkreise bestimmt.

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Keine evidenzbasierte Definition von NMOSD-Schüben

Die in den meisten Studien zu NMOSD verwendeten Schubdefinitionen und Bewertungsparameter wurden für Multiple Sklerose (MS) entwickelt und sind nicht für NMOSD validiert worden.7 Tatsächlich gibt es bis heute keine evidenzbasierten Standards für die Definition von NMOSD-Schüben.5 Da sich der Krankheitsverlauf und insbesondere die Schubsymptomatik bei NMOSD jedoch in wesentlichen Merkmalen von der MS unterscheidet, wurden im Rahmen der placebokontrollierten zulassungsrelevanten Studien der verschiedenen Ak-Therapien unterschiedliche Definitionen etabliert (Tabelle 2).5,8-12

  Eculizumab8 Satralizumab9,10 Inebilizumab11 Ravulizumab12
Terminologie Studien-adjudizierter Schub protokolldefinierter Schub (PDR) Adjudizierter Schub Studien-adjudizierter Schub
Beurteilung in „Echtzeit“ Ja – mit Prüfkomitee Ja – mit Prüfkomitee Ja – mit Prüfkomitee Ja – mit Prüfkomitee
Verwendete Messparameter zur Schubbeurteilung EDSS/FSS EDSS/FSS Zusammengesetzt aus EDSS, Sehschärfe und MRT EDSS/FSS
Schubdefinition pro Studienprotokoll Ein Studien-adjudizierter Schub war definiert als ein erneutes Auftreten neurologischer Symptome oder eine Verschlimmerung bestehender neurologischer Symptome mit einer objektiven Veränderung (klinisches Zeichen) bei der neurologischen Untersuchung, die länger als 24 Stunden anhielt und vom behandelnden Arzt bestätigt wurde. Ein protokolldefinierter Schub war definiert als das Auftreten neuer oder sich verschlechternder neurologischer Symptome, die auf eine NMO/NMOSD zurückzuführen waren. Die Symptome mussten >24 Stunden andauern und durften nicht auf klinische Störfaktoren zurückzuführen sein. Ein NMOSD-Schub war definiert als das Auftreten neuer oder sich verschlimmernder Symptome im Zusammenhang mit NMOSD, die mindestens eines der 18 protokolldefinierten Kriterien erfüllen. identisch zu Eculizumab*

Tabelle 2: Schubdefinitionen pro Studienprotokoll

* In der Zulassungsstudie für Ravulizumab wurde die Placebo-Gruppe der Eculizumab-Zulassungsstudie als externer Kontrollarm verwendet.12,15
EDSS: Expanded Disability Status Scale; FSS: Functional System Scores; NMOSD: Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen; MRT: Magnetresonanztomografie; PDR: Protocol-defined Relapse

Variationen in den Patientenpopulationen

Weitere Unterschiede fanden sich auch beim Anteil der Studienteilnehmenden mit positivem AQP4-IgG-Serostatus sowie bei den Einschlusskriterien der zulassungsrelevanten Studien der vier Immuntherapien. Sie variierten u. a. hinsichtlich des Alters und der Anzahl der Schübe vor Studieneinschluss (Tabelle 3).9,10,13-15

In die Zulassungsstudien für Satralizumab und Inebilizumab wurden einige AQP4-IgG-seronegative NMOSD-Patient:innen einbezogen, jedoch konnten aufgrund der geringen Gesamtzahl der Patient:innen in diesen Subpopulationen, keine gültigen Schlussfolgerungen hinsichtlich der Wirksamkeit gezogen werden.9,10,13

Kombinationstherapien

In den Zulassungsstudien wurden alle Immuntherapien, mit Ausnahme von Inebilizumab auch in Kombination mit immunsuppressiven Therapien (IST) wie Azathioprin, Mycophenolatmofetil und oralen Glukokortikoiden untersucht.9,10,13-15 Auch wenn in den Studien kein eindeutiger Vorteil einer Kombinationstherapie gegenüber einer Monotherapie mit monoklonalen Antikörpern für Patient:innen mit AQP4-IgG+ NMOSD gezeigt werden konnte, bietet sich dadurch für therapierefraktäre Patient:innen oder Patient:innen mit Komorbiditäten im Einzelfall die Möglichkeit auf eine Zusatztherapie.5

Überblick: Immuntherapien zur Behandlung von AQP4-IgG+ NMOSD

Tabelle 3 zeigt die wesentlichen Unterschiede zwischen den zulassungsrelevanten Studien der verfügbaren Immuntherapien.

  Eculizumab13 Satralizumab9,10 Inebilizumab14 Ravulizumab15
Studie / Randomisierung PREVENT / 2:1 SAkuraSky / 1:1 SAkuraStar / 2:1 N-Momentum / 3:1 CHAMPION-NMOSD / Placebo-Gruppe aus PREVENT als externer Komparator
Anzahl Studienteilnehmer:innen / AQP4-IgG-Serostatus 143 / alle positiv 83 / 55 positiv,
28 negativ
95 / 63 positiv,
31 negativ
230 / 213 positiv,
17 negativ
58 / alle positiv
Einschlusskriterium
Alter (Jahre)
> 18 12 - 74 18 - 74 > 18 > 18
Einschlusskriterium
Krankheitsaktivität vor Studieneinschluss
≥ 2 Schübe in 12 Monaten oder ≥ 3 Schübe in 24 Monaten mit 1 Schub in den letzten 12 Monaten ≥ 2 Schübe in 24 Monaten mit 1 Schub in den letzten 12 Monaten ≥ 1 Schub in 12 Monaten ≥ 1 Schub in 12 Monaten oder ≥ 2 Schübe in 24 Monaten ≥ 2 Schübe in 12 Monaten oder ≥ 3 Schübe in 24 Monaten mit 1 Schub in den letzten 12 Monaten
Begleitende IST erlaubt Ja Ja Nein Nein Ja
Komparator Placebo Placebo + IST Placebo Placebo Placebo (externe Kontrollen aus der PREVENT-Studie)

Tabelle 3: Übersicht der Immuntherapien Zulassungsstudien

AQP4-IgG: Aquaporin-4-IgG; IST: Immunsuppressive Therapie

Fazit
  • Jüngste Fortschritte bei der Erforschung der NMOSD-Pathogenese haben zur Entwicklung und Zulassung von vier spezifischen und hochwirksamen Therapien für Patient:innen mit AQP4-IgG+ NMOSD geführt.1-4
  • Unterschiede im Studiendesign, den Schubdefinitionen, in den Patientenpopulationen sowie bei Einschlusskriterien der Zulassungsstudien lassen keinen direkten Vergleich der Wirksamkeit zwischen den Immuntherapien zu.8-15
  • Bislang wurden keine vergleichenden („Head-to-Head“) RCTs durchgeführt, die belegen, ob eines der Therapieprinzipien – die B-Zell-Depletion, die IL-6-Rezeptor-Blockade oder die Komplement-Inhibition – in seiner Wirksamkeit überlegen ist.5,6
  • Die Ak-Therapien ermöglichen einen zunehmend personalisierten Behandlungsansatz für Patient:innen mit AQP4-IgG+ NMOSD, in dem Faktoren wie Krankheitsaktivität, Alter, Komorbiditäten, Familienplanung, Nebenwirkungen, Verabreichungsweg, Patientenwunsch, Verfügbarkeit und Kosten stärker berücksichtigt werden können.5

1. Fachinformation Eculizumab

2. Fachinformation Satralizumab

3. Fachinformation Inebilizumab

4. Fachinformation Ravulizumab

5. Kümpfel T et al., J Neurol 2024; 271:141–176

6. Kompetenznetz Multiple Sklerose: Qualitätshandbuch MS/NMOSD. Stand 04/2023; MS-Qualitätshandbuch (ms-qualitaetshandbuch.de) (abgerufen am 25.04.2024)

7. Weinshenker BG et al., Neurology 2015; 84:1805–1815

8. NCT01892345 abrufbar unter https://clinicaltrials.gov/study/NCT01892345 (abgerufen am 25.04.2024)

9. Yamamura T et al., N Eng J Med 2019; 381(22):2114-24

10. Traboulsee A et al., Lancet Neurol 2020; 19(12):402-12

11. NCT02200770 abrufbar unter https://clinicaltrials.gov/study/NCT02200770 (abgerufen am 25.04.2024)

12. NCT04201262 abrufbar unter https://clinicaltrials.gov/study/NCT04201262 (abgerufen am 25.04.2024)

13. Pittock SJ et al., N Eng J Med 2019; 381:614–625

14. Cree BAC et al., The Lancet 2019; 394:1352–1363

15. Pittock SJ et al., Ann Neurol 2023; 93:1053–1068

1. Fachinformation Eculizumab

2. Fachinformation Satralizumab

3. Fachinformation Inebilizumab

4. Fachinformation Ravulizumab

5. Kümpfel T et al., J Neurol 2024; 271:141–176

6. Kompetenznetz Multiple Sklerose: Qualitätshandbuch MS/NMOSD. Stand 04/2023; MS-Qualitätshandbuch (ms-qualitaetshandbuch.de) (abgerufen am 25.04.2024)

▼ Dieses Arzneimittel unterliegt einer zusätzlichen Überwachung. Dies ermöglicht eine schnelle Identifizierung neuer Erkenntnisse über die Sicherheit. Angehörige von Gesundheitsberufen sind aufgefordert, jeden Verdachtsfall einer Nebenwirkung zu melden. Bitte melden Sie Nebenwirkungen an die Roche Pharma AG unter grenzach.drug_safety@roche.com oder Fax +49 7624/14-3183 oder an das Paul-Ehrlich-Institut unter www.pei.de oder Fax: +49 6103/77-1234.

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