Zukunft der Onkologie
Das Beste aus zwei Welten:Wenn
RCT auf RWD trifft
Mit der Verknüpfung von Daten aus randomisierten klinischen Studien (RCT) mit denen aus der realen Versorgungswelt (Real World Data, RWD) lassen sich medizinische Horizonte erweitern. Beide Studienarten haben ihre Vor- und Nachteile: Sie können sich – eine qualitätsgesicherte Analyse vorausgesetzt – ergänzen, um Behandlungsergebnisse besser verstehen und optimieren zu können. Die Verknüpfung von RCT und RWD sollte deshalb vermehrt eingesetzt werden. Denn das Beste aus den zwei Welten kann helfen, Therapien zu verbessern.
Da sind zum einen die randomisierte klinische Studie, die, wenn es um die Evaluation von medizinischen Interventionen geht, als Goldstandard gilt. Sie umweht der Ruf der wissenschaftlichen Unbestechlichkeit. Dort zum anderen die Informationen, die überall dort entstehen, wo Medizin passiert: Die Real World Data. Sie entstehen jeden Tag millionenfach und sind unter anderem durch die Entwicklung von IT-gestützten Systemen immer besser „lesbar“.
Der Unterschied liegt auf der Hand: RCTs müssen, um die wissenschaftliche Aussagekraft zu garantieren, in einem relativ engen Korsett durchgeführt werden, in dem Verzerrungen weitgehend vermieden werden können. Dieser Vorteil ist gleichzeitig ein Nachteil: Denn nach Zulassung treffen neue Arzneimittel auf Patientenpopulationen, für die zwar ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis festgestellt wurde, die aber nicht in klinischen Studien repräsentiert waren. Hinzu kommt: Nicht nur bei seltenen Erkrankungen, sondern auch bei medizinischen Fragestellungen, bei denen kleine Patientenpopulationen untersucht werden (z.B. Lungenkrebs mit einer spezifischen genetischen Mutation), kommen klassische Studiendesigns häufig an Grenzen. Daten aus der realen Welt können hier eine wichtige Ergänzung sein.
Die Verknüpfung von RCT und RWD ist eigentlich keine Frage des „Ob“, sondern eine Frage des „Wie“: Zu wertvoll sind die zu erwartenden Ergebnisse, wenn die beiden Welten sinnvoll verbunden werden können. Mit Zulassung auf Basis einer RCT stehen Daten zur „Efficacy“ zur Verfügung; sprich: der Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte Wirkung zustande kommt. Doch was passiert in der realen Welt der Versorgung, wenn ein Medikament auf eine breite Population trifft, mit z. B. multimorbiden Menschen, die gar nicht Teil der RCT-Population waren? Qualitätsgesichert ausgewertet, können im Versorgungsalltag wichtige Erkenntnisse zur „Effectiveness“ entstehen: Hält der Wirkstoff, was er in den Studien verspricht? Gibt es bisher nicht gesehene Signale zu möglichen Nebenwirkungen? Profitieren Patientinnen und Patienten, die gar nicht Teil der Studien waren?
- Die Verknüpfung kann dazu dienen, die Effizienz der Auswertung eines RCT zu erhöhen. So können Modelle zur Evidenzsynthese genutzt werden, um mit Hilfe von RWD die Präzision der RCT-Effektschätzung zu erhöhen.
- Sollte die Übertragbarkeit eines RCT auf die Routineversorgung mit Zweifeln behaftet sein, können Versorgungsdaten die externe Validität erhöhen. Dazu stehen verschiedene Gewichtungsverfahren und Modellierungsmethoden zur Verfügung.
- RCT-Daten können auch genutzt werden, um eine systematische Verzerrung in RWD zu bereinigen.
Eine weitere Möglichkeit ist die Durchführung einer „comprehensive cohort study“ (CCS). Sie besteht aus zwei Teilen: der klinischen Studie und einer Kohortenstudie. Bis auf die Randomisierung sind die Voraussetzungen in beiden Teilen gleich. Es gelten die gleichen Ein- und Ausschlusskriterien, auch Behandlungen und Nachbeobachtung unterscheiden sich nicht. Eine CCS „erlaubt die Einschätzung der externen Validität eines RCT, sofern die Ein- und Ausschlusskriterien pragmatisch gewählt wurden, und kann bei einer gemeinsamen Auswertung von RCT und Register sehr effizient sein“, schreibt Professor Dr. Tim Friede vom Institut für Medizinische Statistik, Göttingen. Sie ist also eine Möglichkeit, die Vorteile von RCTs und RWD gleich in einem Schritt zusammenzuführen, wenn sie prospektiv geplant und dokumentiert werden.
RCTs liefern in der Regel eine robuste Evidenz zur Wirksamkeit und Sicherheit von Therapien – das gilt auch unter der Einschränkung, dass sie manchmal nur schwer durchzuführen sind oder nicht die Patientengruppen abbilden, wie sie im klinischen Alltag Realität sind. In der gezielten Nutzung von RWD besteht die Chance, die in klinischen Studien generierte Evidenz zu stützen, zu hinterfragen, zu erweitern – eben das Beste aus zwei Welten zu einer höheren Evidenz zusammenzuführen. Das fördert eine Versorgung, die Wissen generiert – und damit eine bessere Medizin, von der letztlich die Patientinnen und Patienten profitieren.
Friede, T., Röver, C. & Mathes, T. Verknüpfung von randomisierten kontrollierten Studien und Real World Data. Präv Gesundheitsf (2023). https://doi.org/10.1007/s11553-023-01016-9