SMA

Spinale Muskelatrophie

Kognition und SMA: Aktuelle Erkenntnisse
Positive Auswirkungen von Evrysdi auf die Kognition bei SMA
SMA wird zunehmend als systemische Erkrankung verstanden, die sich nicht nur auf muskuläre, sondern auch auf andere Prozesse im Körper auswirkt. Neben Einflüssen auf das männliche Reproduktionssystem rückt auch die kognitive Entwicklung bei SMA-Betroffenen ins Blickfeld der Forschung. Während bei leichteren Verlaufsformen der SMA keine kognitiven Auffälligkeiten beschrieben wurden, deuten neuere Studien darauf hin, dass es bei Neugeborenen mit weniger als 2 SMN2-Kopien zu kognitiven Beeinträchtigungen kommt.1,2 Welche Rolle genau das SMN-Protein bei der kognitiven Entwicklung spielt und was krankheitsmodifizierende Therapien bewirken können, ist Gegenstand der Forschung.

Durch neue medikamentöse Therapien hat sich die Überlebenszeit von Kindern mit einer schweren Verlaufsform deutlich verlängert und sie können die motorischen Meilensteine Sitzen, Stehen und Laufen erreichen.3 Dadurch werden neue Phänotype der Erkrankung offensichtlich und neben den motorischen rücken weitere Funktionen in den Fokus, die ebenfalls bei SMA beeinträchtigt sein können, darunter das männliche Reproduktionssystem sowie die Sprachentwicklung und kognitive Funktionen.2

Frühere Befunde stellten bei den leichteren Verlaufsformen Typ 2 und 3 der spinalen Muskelatrophie eine normale kognitive Entwicklung fest.1 Aufgrund des kurzen Überlebens nicht-therapierter SMA-Typ1-Patient:innen lagen lange keine aussagekräftigen Daten zur kognitiven Entwicklung bei schweren Verläufen vor. Neuere Studien liefern nun erste Erkenntnisse zur Kognition bei diesem Typ und tragen zu einem besseren Verständnis bei, wie sich SMA auf die Kognition auswirkt.

Einflussfaktoren auf die Entwicklung kognitiver Beeinträchtigungen

Demnach treten kognitive Beeinträchtigungen, etwa in den Bereichen Aufmerksamkeit sowie verbale und kommunikative Fähigkeiten, häufiger auf als bisher angenommen. Diese scheinen ausgeprägter zu sein, je weniger Kopien des Gens survial of motor neuron 2 (snm2) vorliegen.1,2

Neben der Anzahl der SMN-Kopien scheint das männliche Geschlecht, sowie die Notwendigkeit einer assistierten Beatmung oder Ernährungsunterstützung das Risiko für Defizite in der kognitiven Entwicklung zu erhöhen.1,2

Wie genau es zu den kognitiven Beeinträchtigungen bei SMA kommt, muss in Studien noch geklärt werden. Es wird angenommen, dass der Mangel an SMN-Protein ebenfalls ursächlich für die kognitiven Defizite ist, da das SMN-Protein eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des Vorderhirns spielt: Dieses wird nicht nur in den Vorderhornzellen exprimiert, sondern auch in kortikalen Neuronen und im Vorderhirn. Pathologische Veränderungen in diesem Bereich wurden bei SMA-Typ-1-Patient:innen beschrieben. Es wird zudem diskutiert, dass die eingeschränkte motorische Entwicklung und Interaktion mit der Umwelt eine Rolle spielen.1,4,5

Was können Therapien bewirken?

Da noch unklar ist, warum es genau bei SMA zu kognitiven Beeinträchtigungen kommt, ist auch schwer einzuschätzen, wie krankheitsmodifizierende Therapien die kognitive Entwicklung positiv beeinflussen können. Studien zeigen, dass auch unter medikamentöser Therapie kognitive Defizite bestehen können.1,2 Es ist jedoch anzunehmen, dass sich ein früher Therapiebeginn auch positiv auf die kognitive Entwicklung auswirkt.6

Inwieweit Therapien Einfluss auf die kognitive Entwicklung nehmen, müssen Langzeitstudien noch zeigen.

Frühe Behandlung der SMA auch entscheidend für die kognitive Entwicklung

Da noch unklar ist, warum genau es bei SMA zu kognitiven Beeinträchtigungen kommt, ist auch schwer einzuschätzen, wie krankheitsmodifizierende Therapien die kognitive Entwicklung positiv beeinflussen können. Studien zeigen, dass auch unter medikamentöser Therapie kognitive Defizite bestehen können.1,2 Daten der RAINBOWFISH-Studie, einer offenen, einarmigen, multizentrischen Studie mit präsymptomatischen SMA-Säuglingen zeigen jedoch, dass eine frühzeitige Behandlung mit Evrysdi (Risdiplam) die kognitive Entwicklung positiv beeinflussen kann und zu einer altersgerechten kognitiven Entwicklung beitragen kann. Die BSID-III Cognitive Scale* bewertet anhand verschiedener Tests die kognitive Entwicklung von Kindern im Alter von 1 bis 42 Monaten. 80,8 % (21 von 26) der Säuglinge, die 24 Monate lang mit Evrysdi behandelt wurden, erzielten in der BSID-III Cognitive Scale Werte, die einer normalen kognitiven Kindesentwicklung entsprechen. Der erreichte Score war in der Studie unabhängig von der Anzahl der Kopien des smn2-Gens im Genom der Proband:innen.6

Abbildung 1: Infants taking risdiplam showed cognitive skills typical of normal child development, as assessed by the BSID-III Cognitive Scale*

Kognitive Beeinträchtigungen: Forschungsbedarf und Standardisierung

Die Zusammenhänge zwischen SMA, SMN-Proteindefizienz, motorischer Entwicklung und kognitiver Funktion sind komplex. Weitere Forschung ist notwendig, um sie besser zu verstehen. Sowohl hierfür, als auch für den klinischen Alltag, ist die Entwicklung von standardisierten und an die Bedürfnisse von SMA-Patienten angepassten kognitiven Testverfahren von großer Bedeutung.2,4,7

Derzeit existiert kein validiertes kognitives Bewertungsverfahren, das ausschließlich für SMA entwickelt wurde.8 Studien und weitere Standardisierung werden dazu beitragen, die Behandlung und Betreuung von SMA-Patient:innen zu optimieren und ihre Lebensqualität zu verbessern.

Die Zusammenhänge zwischen SMA, SMN-Proteindefizienz, motorischer Entwicklung und kognitiver Funktion sind komplex. Weitere Forschung ist notwendig, um sie besser zu verstehen. Sowohl hierfür, als auch für den klinischen Alltag, ist die Entwicklung von standardisierten und an die Bedürfnisse von SMA-Patienten angepassten kognitiven Testverfahren von großer Bedeutung.2,4,7

Derzeit existiert kein validiertes kognitives Bewertungsverfahren, das ausschließlich für SMA entwickelt wurde.8 Studien wie RAINBOWFISH und weitere Standardisierung werden dazu beitragen, die Behandlung und Betreuung von SMA-Patient:innen zu optimieren und ihre Lebensqualität zu verbessern.

*BSID-III (Bayley Scales of Infant and Toddler Development, third edition) Cognitive Scale; umfasst Aspekte der kognitiven Entwicklung, darunter Sensomotorik, Objektbeziehungen, Sprache, Explorationsverhalten und Handhabung von Gegenständen, Gedächtnis und weitere kognitive Leistungen.

1. Steffens P et al., Eur J Paediatr Neurol 2024; 51: 17–23.

2. Kölbel H et al., J Neuromuscul Dis 2024; 11: 143–151.

3. Finkel RS et al., WMS 2023; P.212.

4. Polido GJ et al., Dementia Neuropsychol 2019; 13: 436–443.

5. Mix L et al., Orphanet J Rare Dis 2021; 16.

6. Servais L et al., RAINBOWFISH: 2-Year Efficacy and Safety Data of Risdiplam in Infants with Presymptomatic SMA (2024), Hoffmann-La Roche, Data on File.

7. Masson R et al., Dev Med Child Neurol 2021; 63: 527–536.

8. Vidovic M et al., BMC Neurol 2023; 23.

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